Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge
bekommen, Mr. Opparizio«, erklärte Jennifer Aronson. »Sie halten das Original in der Hand.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Opparizio, obwohl er das sehr wohl tat.
»Und von dem Moment an, in dem Sie vorgefahren sind, ist alles auf Video aufgezeichnet«, fügte Lorna hinzu.
Sie ging zur Wand und drückte einen Schalter, der den Raum in helles Licht tauchte. Sie deutete auf zwei unter der Decke angebrachte Kameras. Jennifer hob das Champagnerglas, als wollte sie einen Trinkspruch ausbringen.
»Auch Ihre Fingerabdrücke haben wir, falls sich das als nötig erweisen sollte.«
Sie drehte sich um und prostete einer der Kameras zu.
»Nein«, sagte Opparizio.
»Doch«, erwiderte Lorna.
»Wir sehen uns vor Gericht«, sagte Jennifer.
Die Frauen gingen zum Seitenausgang der Galerie, wo ein von Cisco gefahrener Lincoln wartete. Ihre Aufgabe war erfüllt.
Das war damals, und das war jetzt. Ich saß im Gerichtssaal des Ehrenwerten Richters Coleman Perry und bereitete mich darauf vor, die Überstellung und Rechtskräftigkeit der Opparizio-Vorladung und das Kernstück meiner Beweisführung zu verteidigen. Meine Assistentin Jennifer Aronson saß neben mir am Tisch der Verteidigung, und neben ihr befand sich unsere Mandantin Lisa Trammel. Am Tisch der Gegenseite saßen Louis Opparizio und seine zwei Anwälte, Martin Zimmer und Landon Cross. Andrea Freeman saß auf einem Platz hinten an der Schranke. Als Staatsanwältin in dem Strafverfahren, aus der diese Verhandlung hervorging, war sie eine interessierte Partei, aber diese Angelegenheit war nicht ihr Fall. Außerdem war Detective Kurlen im Gerichtssaal; er saß drei Reihen hinter ihr im Zuschauerbereich. Seine Anwesenheit war mir ein Rätsel.
Heute ging es allein um Opparizio. Er und seine Anwälte hatten es darauf angelegt, die Vorladung aufzuheben und zu verhindern, dass er am Prozess teilnehmen musste. Auf den Verdacht hin, dass auch die Anklage Opparizio den Geschworenen vorenthalten wollte, war es Opparizios Anwälten bei der Planung ihres taktischen Vorgehens ratsam erschienen, Freeman über die Anhörung in Kenntnis zu setzen. Obwohl sie der Verhandlung hauptsächlich als Beobachterin beiwohnte, konnte sie sich jederzeit einschalten. Außerdem wusste sie, dass ihr die Anhörung, egal, ob sie sich daran beteiligte oder nicht, wahrscheinlich wertvolle Einblicke in die Prozessstrategie der Verteidigung verschaffen würde.
Es war das erste Mal, dass ich Opparizio persönlich sah. Er war ein Klotz von einem Mann, fast so breit wie hoch. Seine Gesichtshaut war straff gespannt, entweder vom Skalpell oder von Jahren des Ärgers. Sein Haarschnitt und sein Anzug sahen nach viel Geld aus. Und weil er auch wie jemand aussah, der töten oder zumindest den Befehl dazu erteilen konnte, war er in meinen Augen der perfekte Sündenbock.
Opparizios Anwälte hatten den Richter gebeten, die Verhandlung in camera – hinter den verschlossenen Türen des Richterzimmers – abzuhalten, damit die dabei enthüllten Details nicht zu den Medien durchdrangen und so vielleicht den Geschworenenpool kontaminierten, der sich am nächsten Tag im Gericht einfinden würde. Jedem der Anwesenden war jedoch klar, dass diesem Vorschlag keine altruistischen Motive zugrunde lagen. Eine Verhandlung hinter verschlossenen Türen sollte verhindern, dass Details über Opparizio an die Presse durchsickerten und etwas viel Größerem als dem Geschworenenkontingent bekannt wurden. Der Öffentlichkeit.
Ich verwehrte mich vehement gegen einen Ausschluss der Öffentlichkeit und führte an, eine solche Maßnahme würde nur Zweifel am korrekten Ablauf des anschließenden Prozesses wecken, was erheblich größere Risiken bärge als eine potenzielle Kontaminierung der Geschworenen. Als Richter in sein Amt gewählt und daher stets darauf bedacht, der Öffentlichkeit in einem positiven Licht zu erscheinen, schlug sich Perry auf meine Seite und verfügte, die Angelegenheit öffentlich zu verhandeln. Ein wichtiger Teilsieg für mich. Hätte ich mich in diesem Punkt nicht durchsetzen können, hätte ich beim Prozess möglicherweise von vornherein auf verlorenem Posten gestanden.
Die Medien waren zwar nicht stark vertreten, aber für meine Zwecke zahlreich genug. In der ersten Reihe saßen Reporter des Los Angeles Business Journal und der L.A. Times. Auf der leeren Geschworenenbank hatte ein Freelancer, der sein Bildmaterial an alle Sender verkaufte, seine Kamera aufgebaut. Ich hatte ihn auf die Verhandlung
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