Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge
wird eine eindeutige Sprache sprechen«, sagte sie. »Folgen Sie den Beweisen, und sie werden Sie ohne jeden Zweifel zu Lisa Trammel führen. Sie hat Mitchell Bondurant das Leben genommen. Sie hat ihm alles genommen, was er hatte. Und jetzt ist der Moment gekommen, sie ihrer gerechten Strafe zuzuführen.«
Sie bedankte sich bei den Geschworenen und kehrte an ihren Platz zurück. Ich fasste unter den Tisch und prüfte meinen Reißverschluss. Wenn man einmal mit offener Hose vor einer Jury gestanden hat, passiert einem das kein zweites Mal.
Ich stand auf und ging zu der Stelle vor der Geschworenenbank, an der auch Freeman gestanden hatte. Ich versuchte wieder einmal, mir nichts von meinen immer noch nicht ganz abgeheilten Verletzungen anmerken zu lassen. Und ich begann.
»Meine Damen und Herren, zunächst möchte ich Ihnen ein paar Leute vorstellen. Mein Name ist Michael Haller. Ich übernehme die Verteidigung der Angeklagten. Meine Aufgabe ist es, Lisa Trammel gegen diese schwerwiegenden Anklagepunkte zu verteidigen. Laut unserer Verfassung hat jeder, der in diesem Land einer Straftat angeklagt wird, das Recht auf eine umfassende und nachdrückliche Verteidigung, und eine solche beabsichtige ich im Lauf dieses Prozesses zu gewährleisten. Wenn ich dabei bei einigen von Ihnen anecke, möchte ich mich jetzt schon bei Ihnen entschuldigen. Aber berücksichtigen Sie bitte immer, dass mein Vorgehen keine nachteiligen Auswirkungen für Lisa haben soll.«
Ich drehte mich zum Tisch der Verteidigung und hob die Hand, als begrüßte ich Lisa Trammel zum Prozess.
»Würden Sie bitte kurz aufstehen, Lisa?«
Trammel stand auf, drehte sich zur Geschworenenbank und ließ den Blick langsam über die zwölf Gesichter wandern. Sie wirkte willensstark, ungebrochen. Genau so, wie ich sie gebeten hatte aufzutreten.
»Und das ist Lisa Trammel, die Angeklagte. Ms. Freeman will Sie glauben machen, dass sie diese Straftat begangen hat. Sie ist einen Meter sechzig groß, wiegt gerade einmal neunundvierzig Kilo und ist Lehrerin. Danke, Lisa. Sie können wieder Platz nehmen.«
Trammel setzte sich, und ich wandte mich wieder den Geschworenen zu und ließ meinen Blick beim Sprechen von einem Gesicht zum nächsten wandern.
»Wir sind einer Meinung mit Ms. Freeman, dass diese Tat brutal, grausam und kaltblütig war. Niemand hätte Mitchell Bondurant das Leben nehmen dürfen, und wer es getan hat, sollte seiner gerechten Strafe zugeführt werden. Aber dabei sollte man sich nicht zu einem vorschnellen Urteil hinreißen lassen. Und das ist, was allen Beweisen zufolge hier geschehen ist. Die Ermittler in diesem Fall haben nur das kleine, vordergründige Bild gesehen. Das große Bild ist ihnen verborgen geblieben. Den wahren Mörder haben sie übersehen.«
Hinter mir hörte ich Freemans Stimme.
»Euer Ehren, können die Anwälte bitte zu einer kurzen Unterredung nach vorn kommen?«
Perry runzelte die Stirn, winkte uns dann aber zu sich. Ich folgte Freeman an die Seite der Richterbank und legte mir bereits eine Entgegnung auf das zurecht, wogegen sie, wie ich jetzt schon ahnte, Einspruch einlegen würde. Der Richter schaltete einen Ventilator ein, der als Geräuschwand dienen sollte, damit die Geschworenen nichts mitbekämen, was sie nicht hören sollten, und wir steckten an der Seite der Richterbank die Köpfe zusammen.
»Euer Ehren«, begann Freeman, »ich unterbreche zwar nur äußerst ungern ein Eröffnungsplädoyer, nur hört sich das nicht wie ein Eröffnungsplädoyer an. Wird uns der Strafverteidiger wirklich Beweise und im Lauf des Prozesses bewiesene Fakten vorstellen, oder wird er sich nur ganz allgemein über einen mysteriösen Mörder auslassen, der allen anderen verborgen geblieben ist?«
Der Richter sah mich in Erwartung einer Erwiderung an. Ich sah auf meine Uhr.
»Euer Ehren, ich lege Einspruch gegen den Einspruch ein. Es sind noch nicht mal fünf Minuten der mir zugeteilten dreißig Minuten vergangen, und die Staatsanwältin legt bereits Einspruch ein, weil ich nichts auf den Tisch gelegt habe? Ich bitte Sie, Euer Ehren, sie will mich nur vor den Geschworenen blamieren, und ich ersuche Sie, ihr weitere Einsprüche zu untersagen und ihr nicht zu gestatten, mich noch einmal zu unterbrechen.«
»Ich finde, er hat recht, Ms. Freeman«, sagte der Richter. »Für einen Einspruch ist es noch viel zu früh. Ich werde Ihren Einspruch ab jetzt als einen laufenden Einspruch führen und selbst einschreiten, wenn ich es für nötig
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