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Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge

Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge

Titel: Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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der Mann, der sein Haus an die Bank verloren hatte, sein Vater gewesen war. Und Leander Lee Furlong jr. hatte es in seinem Fragebogen nicht erwähnt.
    Nach zwei Tagen Geschworenenauswahl wartete ich ungeduldig, dass Furlong endlich an die Reihe kam und sich auf der Geschworenenbank den Fragen des Richters und der Anwälte stellen musste. Bis dahin hatte ich bereits eine Handvoll guter Kandidaten fallengelassen und meine peremptorischen Ablehnungsmöglichkeiten dazu benutzt, um einige von Freemans Wunschkandidaten auszusortieren.
    Am Morgen des vierten Tages wurde Furlongs Nummer endlich aufgerufen, und der Kandidat nahm zur Befragung auf der Geschworenenbank Platz. Als ich ihn mit einem Südstaatenakzent sprechen hörte, wusste ich, dass er mein Mann war. Er musste einen Groll gegen die Bank hegen, die seinen Eltern ihr Haus weggenommen hatte. Und um in die Jury gewählt zu werden, hatte er es verheimlicht.
    Furlong gab genau die richtigen Antworten auf die Fragen des Richters und der Staatsanwältin und präsentierte sich als gottesfürchtiger, fleißiger Mann mit konservativen Wertvorstellungen und toleranter Grundhaltung. Als ich an die Reihe kam, hielt ich mich zurück und stellte ihm zunächst ein paar allgemeine Fragen, bevor ich ihm auf den Zahn fühlte. Ich musste erkennbar machen, warum er für mich ein annehmbarer Kandidat war. Deshalb fragte ich ihn, ob er denke, dass Leute, die von einer Zwangsversteigerung betroffen seien, Betrüger wären, oder ob er sich vorstellen könne, dass manche Leute aus verständlichen Gründen ihre Häuser nicht mehr abbezahlen könnten. In seinem Südstaatengenäsel antwortete Furlong, dass jeder Fall unterschiedlich zu beurteilen sei und dass er es für falsch halte, alle von einer Zwangsversteigerung Betroffenen über einen Kamm zu scheren.
    Ein paar Minuten und ein paar Fragen später erteilte ihm Freeman grünes Licht, und weil ich keine Einwände hatte, war er in der Jury. Jetzt blieb mir nur zu hoffen, dass die Anklage nicht auf seine Familiengeschichte stieß. Sonst würde er so schnell von der Geschworenenbank entfernt wie ein Crip aus einer Arrestzelle voller Bloods.
    Verhielt ich mich unethisch oder verstieß ich gegen die Regeln, wenn ich das Gericht nicht auf Furlongs Geheimnis hinwies? Das hängt davon ab, wie man das Wort unmittelbar definiert – zum Beispiel in unmittelbarer Familienangehöriger. Die Bedeutung dessen, wer oder was die unmittelbare Familie eines Menschen ausmacht, ändert sich im Lauf eines Lebens. In Furlongs Personalbogen stand, dass er verheiratet war und einen kleinen Sohn hatte. Seine unmittelbaren Familienangehörigen waren also zurzeit seine Frau und sein Sohn. Sein Vater lebte möglicherweise gar nicht mehr. Die gestellte Frage lautete: »Waren Sie oder ein unmittelbarer Familienangehöriger von einer Zwangsversteigerung betroffen?« Das Wort jemals kam in diesem Satz nicht vor.
    Deshalb handelte es sich hier um eine Grauzone, und ich fühlte mich nicht verpflichtet, der Anklage zu helfen und sie darauf aufmerksam zu machen, dass bei der Beantwortung der Frage etwas ausgelassen worden war. Freeman hatte dieselbe Namensliste und verfügte darüber hinaus über die Mittel und Möglichkeiten der Staatsanwaltschaft und des LAPD. Irgendjemanden musste es in diesen beiden Behörden doch geben, der so schlau war wie mein Ermittler. Sollten sie doch selbst danach suchen. Wenn nicht, war das ihr Pech.
    Ich beobachtete Furlong, als Freeman die Bausteine ihrer Beweisführung vorzustellen begann: die Mordwaffe, die Augenzeugin, das Blut am Schuh der Angeklagten und ihre Protestaktionen gegen die Bank. Er hatte die Ellbogen auf die Armlehnen seines Stuhls gestützt und die Fingerspitzen vor dem Mund aneinandergelegt. Es war, als versteckte er sein Gesicht, als beobachtete er Freeman über seine Hände hinweg. Es war eine Haltung, die mir verriet, dass ich ihn richtig eingeschätzt hatte. Er war mein Mann, ohne jeden Zweifel.
    Freemans Argumente begannen, an Durchschlagskraft zu verlieren, als sie durch ihre verstümmelten Ausführungen hetzte, denen zufolge alle Beweise auf eine Schuld ohne jeden berechtigten Zweifel hindeuteten. An dieser Stelle hatte sie ihr Eröffnungsplädoyer wegen der willkürlichen Zeitbeschränkung des Richters offensichtlich massiv gekürzt. In der Gewissheit, beim Schlussplädoyer noch einmal alles schlüssig verknüpfen zu können, hatte sie vieles ausgelassen und kam nun zum Schluss.
    »Meine Damen und Herren, das Blut

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