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Microsklaven

Microsklaven

Titel: Microsklaven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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($ 19,99 das Pfund - sehen aus wie weiße Korallen) zurück. Karla und ich kaufen immer Nudelfertiggerichte bei Price-Costco. Wir müssen mal anfangen, uns besser zu ernähren. Das Essen hier ist einfach zu gut. Wenn man immer nur solchen Mist ißt, fühlt man sich in der Bay Area total als Außenseiter.
    M otzen ist der offizielle Kommunikationsmodus der 90er. Karla hat Dusty gefragt, was sie von Lego hielte, und die fing total an zu motzen:
    »Was ich von Lego halte? Lego ist Teufelszeug. Diese vermeintlich ›pädagogisch wertvollem kleinen Bausteine zu einem sorgenfreien, glücklichen Leben haben in die Gehirne ganzer Generationen von Kindern aus den informationsorientierten Industrienationen unwiderruflich das Bild einer nach dem Baukastenprinzip aufgebauten, sterilen, anorganischen und austauschbar modularen Welt eingebrannt, bevölkert von leeren, arm- und beinamputierten Kreaturen, die ständig verzückt lächeln, als gehörten sie irgendeiner Sekte an.«
    (»Minifigs« heißen die kleinen Lego-Menschen - Dusty soll mal lieber die korrekte Terminologie lernen.) »Lego ist direkt oder indirekt für alles verantwortlich - von postmoderner Architektur (ein Verbrechen) bis zur analen Fixierung der Mittelklasse auf den perfekt gemähten Rasen. Du hast bei Microsoft gearbeitet, Dan, du kennst ihn doch - diesen Rasen ... Du weißt, was ich meine.«
    »Lego fördert ein unverhältnismäßig mechanistisches Weltbild, das, wenn es sich erst mal in den Köpfen festgesetzt hat, beim besten Willen nicht mehr aus ihnen herauszukriegen ist.«
    »Sonst noch was, Dusty?«
    »Ja. Lego ist das ideale Mittel, um eine Gesellschaft zu schaffen, die keine Gerüche, keine Exkremente, keine Abweichungen von gesellschaftlichen Normen, keinen Verfall, keine unscharfen Konturen, keine Bazillen, ja nicht mal den Tod duldet. Versucht mal, euch einen Wald aus Lego vorzustellen. Na? Habt ihr schon mal Lego aus Eis gesehen? Aus Dung? Holz? Eisen? Aus Torfmoos? Nein - komisch, was?«
    »Keine Frage, Dusty, aber was hältst du von Michaels Produktidee - von seinen Programmen?«
    »Find' ich sssuper.«
    W ir haben beschlossen, daß wir unbedingt etwas Abwechslung von der Monotonie des Programmierens und der Arbeit brauchen.
    Wir haben's schon im Shoreline Cineplex mit Kino versucht, aber im Kino dauern Filme ja EWIG - man kann halt nicht vorspulen. Und auch Filme aus der Videothek dauern ewig, trotz Vorspultaste.
    Dann entdeckte Karla durch Zufall einen unglaublichen Zeitspar-Trick - ausländische Filme mit Untertiteln! Die verhalten sich zu gewöhnlichen Filmen wie Crack zu Kokain. Wir haben in weniger als einer Stunde einen japanischen Film gesehen - es war auch noch ein Kunstfilm (No Regrets For Our Youth von Kurosawa). Man braucht nur immer zu den Untertiteln vorzuspulen, sie querzulesen und kann dann den Rest überspringen. Das ist so effizient, daß es schon unheimlich ist.
    »Wieso werden englischsprachige Filme nicht untertitelt?« fragte Karla. »Ich meine, es gibt ja auch Hörbücher für Pendler. Für englischssprachige Filme mit Untertiteln gibt es bestimmt eine große Marktlücke. Schließlich hat niemand mehr Zeit.«
    Mr. Ideologie persönlich kam herein, und Ethan konnte es nicht lassen, ihm zu erzählen, daß er in einem Online-Lexikon nach dem Namen Lenin gesucht hat, und dabei ist herausgekommen, daß er nichts bedeutet. »Es ist ein erfundener Name - wie Sting - er ist einfach eines Morgens in seine Datscha gekommen und hat gesagt: ›Nennt mich Lenin.‹« Todd erwiderte darauf: »Das zeigt nur, daß er damals schon postmodern war - seiner Zeit ein Jahrhundert voraus.«
    D usty versuchte, uns das deutsche Work »Mehrwert« zu erklären - den Wertüberschuß pro Zeit/Arbeitseinheit: »Ein Arbeiter schafft mehr Wert, als ihm vergütet wird. Klar?« Michael lief dunkelrot an, wie ein Burger-King-Geschäftsführer, der einen seiner Angestellten über seinen Beitritt zur Gewerkschaft reden hört.
    Und dann warf Karla Michaels Vorstellungen von einem geregelten Arbeitstag vollends über den Haufen, indem sie eine Information an uns weitergab, die ihr heute jemand im Net zugeschanzt hatte, nämlich daß jedes Vielfache von sechs, wenn man eins davon abzieht, eine Primzahl ergibt. Sofort wurde jegliche Arbeit EINGESTELLT, weil jeder wissen wollte, was an dieser Behauptung dran war.
    T odd hat uns auf etwas aufmerksam gemacht, was meiner Meinung nach wirklich stimmt. Er sagte, wenn später mal Archäologen die Überreste Kaliforniens

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