Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Microsklaven

Microsklaven

Titel: Microsklaven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
Vom Netzwerk:
Vancouver:
     
    Ich bin im Westin in Vancouver. Der Zimmerservice hat mich ganz unschuldig gefragt: »Wie viele Personen sind Sie zum Essen?«, und ich habe geantwortet: »2«, weil ich nicht den Eindruck erwecken wollte, ich sei allen. Ich war's aber. Wie schlimm ist das auf einer Skala von eins bis zehn?
    M eine Antwort:
     
    Abe . . . Das ist eine '"ELF"'
    D ad hat einen Vorstellungstermin bei Delta Airlines, für einen Job in der Buchungsabteilung. »Das hat am Rande was mit Hi-Tech zu tun - es ist nicht richtig Hi-Tech, aber...« Sein Termin ist in zwei Tagen. Bug und Dad sind in die Stadt gefahren, um sich zusammen bei so einem Friseur mit einem ausgestopften Barsch an der Wand die Haare schneiden zu lassen. Bug sagte, das war wie bei einem Toppy's in Moskau.
    P olitik-Quark:
    Todd: »Der Marxismus ging davon aus, daß die technologische Entwicklung nie einen bestimmten Punkt überschreiten würde ... Die Tatsache, daß der Marxismus aus dem 19. Jahrhundert stammt, verleiht ihm eine reizvolle Distanz zur postindustriellen Ära des Spätkapitalismus.«
    Ethan: »Neid und Umverteilung machen noch keinen Wohlstand.«
    Susan: »Ich wette, die Hollywood-Gewerkschaften können es kaum erwarten, daß die Programmierer und Multimediaproduzenten sich gewerkschaftlich organisieren. Wie stellen die sich das vor - ich schreibe den Code, und dann muß erst jemand von der I.A.T.S.E. kommen und die RETURN-Taste drücken?«
    Ich: »JETZT REICHT'S ABER!«
    Politik macht bloß schlechte Laune. Es muß doch noch eine andere Form des Diskurses geben. Wie entsteht eine politische Gesinnung? Susan ist es unangenehm, mal mit Ethan einer Meinung zu sein. Normalerweise kriegen sie sich wegen jeder Kleinigkeit in die Haare.
    M ichael hat uns dabei erwischt, wie wir über den Büroserver Doom spielten, und ist ausgeflippt... Oder vielmehr, er hat es aus dem Server gelöscht und mir, als ich ihn später fragte, ob er es nicht bitte wieder einrichten könnte, einen Vortrag über verlorene Mannstunden gehalten. Am Ende hat er es dann doch wieder installiert, weil es katastrophale Auswirkungen auf die Arbeitsmoral hat, wenn man seine Kollegen nicht jagen und umbringen kann.
    »Übrigens, Daniel, im Oktober kommt eine neue Version namens Doom II raus, und angeblich steckt in irgendwelchen Raubkopien davon ein Virus, der einem die Festplatte zerstört, also kommt ja nicht auf die Idee, so was hier zu installieren.« Na denn.
    Bug war so wütend, daß er behauptet hat, er würde einen Marburg-Virus schreiben und auf Michaels Rechner laden. Wer's glaubt, wird selig. Der Marburg-Virus ist so gefährlich, daß man ihn noch nicht mal untersuchen kann. Siebenunddreißig deutsche Laboranten sind deswegen schon gestorben.

DONNERSTAG
    T odd hat mich heute einen Kryptofaschisten genannt.
    Zum Gedenken formatiere ich diesen Absatz rechtsbündig.
     
    M ichael hat heute etwas Cooles gesagt. Er meinte, mit unserer Spezies geschehe derzeit etwas Bemerkenswertes und nie Dagewesenes: »Wir haben den kritischen Punkt erreicht, an dem die Summe der Erinnerungen, die wir in Büchern und Datenbanken (um nur ein paar Quellen zu nennen) ausgelagert haben, die Summe der Erinnerungen, die in all unseren biologischen Körpern zusammen enthalten sind, übersteigt. Mit anderen Worten, es befinden sich mehr Erinnerungen ›da draußen‹ als ›in uns allem. Wir haben den Kern unserer Existenz nach außen verlagert.« Er fuhr fort:
    »In dieser neuen Situation ist die Annahme der Existenz von ›Geschichte‹ zwar nicht unbedingt widerlegt, aber sie zielt ins Leere. Der Zugriff auf Erinnerungen tritt an die Stelle des geschichtlichen Wissens, mit Hilfe dessen unsere Spezies bisher ihre Vergangenheit verarbeitet hat. Erinnerungen statt Geschichte - das ist nicht weiter schlimm. Im Gegenteil, es ist phantastisch, denn es bedeutet, daß wir nicht länger dazu verdammt sind, unsere Fehler zu wiederholen; wir können uns laufend korrigieren, wie ein Dokument auf dem Bildschirm. Der Übergang von der verinnerlichten Geschichte zur veräußerlichten Erinnerung mag anfangs vielleicht noch etwas holprig vonstatten gehen, weil die Menschen erst ihre intellektuelle Unbeweglichkeit überwinden müssen, aber er ist unausweichlich, und Gott sei Dank haben wir den Prozeß der Veränderung an sich verändert - die Aussicht auf zyklisch wiederkehrende Kriege, mittelalterliche Epochen und goldene Zeitalter fand ich nie besonders attraktiv.« Schließlich:
    »Und die fortschreitende

Weitere Kostenlose Bücher