Microsklaven
Scheibletten mitgebracht, damit wir die Nachtschichten überstehen. Jetzt sagt mir bitte, wo mein Platz ist.«
Abe hatte eine kurze Besprechung mit Michael, und Ethan kam rausgerannt und brüllte: »Wir sind flüssig! Wir sind flüssig! Wie buchstabiert man Erleichterung? K-A-P-I-T-A-L.«
Abe wird tatsächlich Teilhaber. Er springt bei Michael als leitender Techniker ein und schreibt irgendeinen Core-Low-Level-Code für ihn zu Ende. Damit nicht genug, zieht Abe, bis er eine Wohnung findet, auch noch zu Ethan in das Dirty-Harry-Haus, und Ethan ist hoch erfreut, daß ihm dadurch Bargeld ins Haus kommt. Ethan benahm sich wie dieser Hund aus alten Zeichentrickfilmen, der jedesmal, wenn er einen Knochen bekommt, wie ein Hubschrauber mit den Ohren rotiert, sich in den Himmel erhebt und dann ganz schlapp vor Wonne wieder zur Erde hinunterschwebt.
Abe sagte: »Menschen, die kein Leben haben, sind gern mit anderen Leuten zusammen, die auch kein Leben haben. Auf diese Weise schaffen sie sich ein Leben.« Und was noch besser ist: Er hat jetzt Gesellschaft.
C NN: Wir haben ein Koaxialkabel vom Büro nebenan angezapft, ließen den Sender den ganzen Tag auf dem Monitor laufen und sahen uns bis zirka sechs Uhr zu jeder vollen Stunde an, wie »unsere Susan« 137 Ländern auf der ganzen Welt den Offiziellen Chyx-Handschlag demonstrierte, über Geschlechts-Blindheit in der Tech-Welt redete und last but not least auch noch ihre Net-Adresse reinmogelte. Das war sehr »TV-mäßig«. Ab 18:00 wurde auf demselben Sendeplatz gezeigt, wie man seine Katze stubenrein bekommt. Susan hat uns nicht mal erzählt, daß sie ein Interview mit CNN gemacht hat. Aber sie kam supergut rüber. Sie ist ein Star! Und ihre Chyx-Mailbox auf unserem kleinen Oop!-Knoten quillt bereits über vor Reaktionen. Susan, in einem T-Shirt mit dem Bild von Brenda Laurel, der Erforscherin der geschlechtsspezifischen Intelligenz, das sie sich bei Kinko's extra hat anfertigen lassen, strahlte vor Glück - nicht nur, weil ihr Oop!- Anteil in letzter Minute durch Abes Geldspritze gerettet worden ist, sondern auch, weil Chyx jetzt international explodiert. »Tolle Werbung für Chyx«, schwärmte sie. »Und der Chyx-Handschlag sah im Fernsehen so gut aus. Die beste Idee, die ich je hatte.«
B ei Sonnenuntergang gingen wir zur Feier der Neuigkeiten des Tages im Empire Tap Room einen trinken, und Susan wurde von Leuten mit den Worten angesprochen: »Sie sind doch die Schiauel«, und sie gestand, daß ihr Vorbild tatsächlich Kate Jackson in Drei Engel für Charlie ist. Michael mischte Robitussin in sein Calistoga-Wasser. Wir fragten ihn, ob dieser Drink einen Namen habe, und er antwortete: »Hiermit taufe ich diesen Drink Justine Bateman‹, nach der Darstellerin von Mallory, der hübschen und talentierten Schwester aus der beliebten Mittachziger-Sitcom Familienbande.«
Abe wollte da nicht zurückstehen und auch einen Drink erfinden, also warf er zwei Redoxon-Vitamintabletten in seine Diet Coke mit Rum und taufte das »Tina Yothers«, »die clevere, freche kleine Schwester aus derselben TV-Sitcom«. Dann nervten wir die Bedienung, indem wir diese europäischen Schicht-Drinks aus lauter verschiedenen Likören von unterschiedlichem spezifischem Gewicht in hohen, schlanken Gläsern bestellten. Dusty nannte diese Drinks »Metaphern für das Klassensystem«, und wir waren alle ganz irritiert, weil uns einfiel, wie politisch sie mal drauf gewesen war, und jetzt wechselt sie einfach das Thema, wenn die Sprache darauf kommt.
Dann fingen wir an, uns über Tätowierungen zu unterhalten, weil so viele Leute in der Bay Area welche haben. Schließlich einigten wir uns im Prinzip alle auf: »Igitt«, bis auf Bug, der immer noch ein Leben voller Verstümmelungen in Betracht zieht und nächste Woche einen Termin für einen Ohrring hat. Er war dann doch ein bißchen trübselig - die Trennung, nehme ich an.
Wie auch immer, wir kamen zu dem Schluß, wenn wir mit vorgehaltener Waffe gezwungen würden, uns tätowieren zu lassen, käme nur ein Strichcode-Symbol in Frage. Dann überlegten wir, welche Strichcodes am coolsten wären, und fanden, am besten wären die von Markenartikeln mit hohem Bekanntheitsgrad: Kraft-Fertiggerichte, Kotex, Marlboro, Coca-Cola und so weiter.
Und dann fiel uns ein, daß Strichcodes schon bald überholt sein werden, und wenn man trotzdem noch einen auf der Schulter oder der Stirn hätte, wäre das so, als hätte man da ein Betamax-Tattoo.
Und so konnten wir uns
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