Microsklaven
schickes Haus in San Carlos. Ebenfalls anwesend war eine Gruppe von Apple-Mitarbeitern, die gerade von Ethan auf ihre »Einstellbarkeit« überprüft werden.
E s war eine typische Geek-Party, und die Konversation bewegte sich im üblichen Rahmen: die Menendez-Brüder, zivile und militärische Luftfahrt und Klatsch über Einstellungen und Entlassungen. Doch die Stimmung hatte auch einen untypischen Beigeschmack von Niedergeschlagenheit: Zwischen Crunchy-Frog-Witzen waren immer wieder Geschichten über Finanznöte zu hören. Die Leute bei Apple legen es alle darauf an, gefeuert zu werden, damit sie die entsprechende Abfindung bekommen - daher versucht jeder, so nutzlos wie möglich zu sein. Ich muß schon sagen - das ist ein Schock. Und sie haben alle Angst, daß der PowerPC ein Flop wird, und machen sich Sorgen um den Newton - und sie befürchten, daß sie von Motorola oder IBM geschluckt werden und ihre Identität verlieren und - du liebe Güte, die haben offenbar eine Menge Probleme.
»Das hat alles so gar nichts mit Kodieren zu tun«, sagte Todd, der als Atlas verkleidet war. (Im Speedo-Schwimmanzug, mit einem Globus auf der Schulter. Angeber.) »Das absolute Gegenteil von Microsoft. Paßt gar nicht zu dem Bild, das wir uns immer von Apple gemacht haben.«
»Tja, mein Lieber - das zeigt doch nur, was passiert, wenn es keinen Bill gibt, der die Leute in ihre Schranken weist«, sagte Ethan, der als »Geld« verkleidet war - grün bemaltes Gesicht unter einer grünen George-Washington-Perücke, die in Wirklichkeit eine mit grünem Haarspray eingesprühte Marilyn-Monroe-Perücke vom Kostümverleih war. »Ohne einen charismatischen Boß ist man verloren.«
Apple ist tatsächlich irgendwie deprimierend, stellten wir enttäuscht fest. Damit hatten wir nicht gerechnet, aber wir versuchen tapfer, uns unseren Glauben zu bewahren. Wir suchen jemanden, der uns einmal auf dem Apple-Campus herumführt. Hier im Valley regiert niemand. Keine Bills.
Das ist die pure Anarchie. Daran muß man sich erst mal gewöhnen.
E than, der Oop!- Vorsitzende, ist irgendwie ein fieser Typ. Nun ja... auf amüsante Weise fies. Ölig? Vielleicht ist das das richtige Wort. Mit seinen weißen Zähnen und seiner stets tadellosen Kleidung ist er das, was Karla einen »Killer-Nerd« nennt. Aus irgendeinem Grund widmet er mir viel Aufmerksamkeit und versorgt mich mit jeder Menge Informationen der vertraulichen Art. Ich weiß nicht recht, ob ich mich geschmeichelt fühlen oder einen Exorzisten zu Rate ziehen soll. Wir saßen unter einem Orangenbaum, und neben uns steckte eine brennende Tiki-Fackel im Boden. Karla sagte: »Weißt du, Ethan ist schon dreimal Millionär gewesen und hat dreimal Konkurs angemeldet - dabei ist er erst 33. Und hier gibt es Hunderte solcher Typen. Sie sind immun gegen Geld. Sie erwarten einfach irgendwie, daß es vom Himmel fällt wie Regen.«
Während wir Ethans Existenz entschlüsselten, sammelten wir einander verirrte Grassamen von unseren Uhrwerk-Orange-Rowdy-Kostümen. Ich sagte: »Ethan hat etwas an sich, was zwar nicht unbedingt ein Oxymoron ist, aber doch ein Widerspruch in sich - wie ein 32-Tonner, auf dem Neutrogena steht - ich kann's nicht erklären. Das ganze Silicon Valley ist ein Oxymoron - geekig, reich und hip. Ich habe mich noch nicht mal entschieden, ob ich Ethan mag - auf jeden Fall ist er keiner von uns. Er gehört einem anderen Menschenschlag an.«
E thans Kostüm brachte uns auf das Thema Geld. Wir kamen zu dem Schluß, daß die Dollarmünze sich bestimmt durchsetzen könnte, wenn die Regierung Marilyn Monroe daraufprägen ließe. »Und wenn sie auch den Fünf-Dollar-Schein durch eine Münze ersetzen wollen«, sagte Susan, die vom Hibachi-Grill zu uns herüberkam, »können sie dafür Elvis nehmen.« Susan hatte sich dieses Jahr so gut wie gar nicht verkleidet -sie ging als Bikerbraut. Sie war etwas verstimmt, weil sie gerade herausgefunden hatte, daß der Assembler-Programmierer von General Magic, mit dem sie den ganzen Abend anbändeln wollte, verheiratet ist. Sie trank einen Schluck Chardonnay aus der Flasche, klaubte eine unreife Orange vom Baum und sagte: »Redet ihr gerade über Ethan? Mit Ethan zusammenzusein ist irgendwie, na ja ... wie wenn du mit jemandem schläfst, der keine Ahnung im Bett hat, sich aber für 'ne echt heiße Nummer hält - und die ganze Zeit an ein und derselben Stelle bei dir rumrubbelt, weil er glaubt, er habe deinen ›magischen Punkt‹ gefunden, doch in Wirklichkeit
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