Microsoft Word - Christian Jacq - RAMSES3 - Die Schlacht von Kadesch.rtf
entstand Verwirrung. Eiligen Schrittes begab er sich in Begleitung von Setaou und Lotos zur Arzneikammer, der größten von Karnak, wo die beiden den Heilkundigen das Ergebnis ihrer Proben darlegten.
Unter Aufsicht des Königs wurde hier nun weitergeforscht. Anhand der wissenschaftlichen Aufzeichnungen über die Bodenschätze Nubiens wurde eine Liste von Substanzen erstellt, die mit dem Stein der Göttin von Abu Simbel zu vermischen waren, wenn man die Dämonen vertreiben wollte, die einem Menschen das Blut aus dem Leib saugten, damit er an Erschöpfung starb.
Aber was waren die richten Beigaben? Und in welchen Mengen? Monate wären nötig, um das herauszufinden! Der Vorsteher der Arzneikammer war bekümmert und ratlos.
«Legt alles auf einen Steintisch und laßt mich allein», gebot Ramses.
Der König sammelte sich und griff nach der Wünschelrute, mit der sein Vater in seinem Beisein das Wasser in der Wüste entdeckt hatte.
Er strich mit der Rute über jede einzelne Substanz, und sobald sie den Stab hochschnellen ließ, legte er sie beiseite. Um seine Wahl zu überprüfen, strich er nochmals darüber hinweg, und dann bestimmte er mit der gleichen Methode die Dosierung.
Akazienharz, Anis, Saft aus Sykomorenfrüchten, Koloquinte, Kupfer und bestimmte Stückchen aus dem Stein der Göttin - das war die Arzneiformel!
Nefertari war kunstvoll geschminkt, lächelte und schien fröhlich. Als Ramses auf sie zuging, las die Königin die berühmten Abenteuer Sinuhes in einer besonders schön geschriebenen Fassung. Sie rollte den Papyrus zusammen, erhob sich und schmiegte sich in seine Arme. Lange und leidenschaftlich küßten sie sich, gewiegt vom Gesang der Haubenlerchen und Nachtigallen, umhüllt vom Duft der Weihrauchsträucher.
«Ich habe den Stein der Göttin gefunden, und die Arzneikammer von Karnak hat das Heilmittel für dich auch schon zubereitet.»
«Wird es nützen?»
«Ich habe die Wünschelrute meines Vaters benutzt, um die vergessene Formel wiederzufinden.»
«Beschreibe mir den Ort, wo die Göttin Nubiens thront.»
«Eine Bucht mit goldenem Sand, zwei Felsen, die sich vereinen… Abu Simbel, das ich vergessen hatte. Abu Simbel, wo ich für ewig unserer Liebe hatte huldigen wollen.»
Ramses’ warmer und kräftiger Körper gab das Leben zurück, das sie zunehmend floh.
«Heute noch werden ein Vorarbeiter und ein Trupp Steinhauer nach Abu Simbel aufbrechen», fuhr Ramses fort. «Diese Felsen sollen zwei Tempel werden, untrennbar für ewig, wie du und ich.»
«Werde ich dieses Wunder erleben?»
«Ja! Du wirst es erleben!»
«Möge der Wille des Pharaos in Erfüllung gehen.»
«Wäre ich noch würdig zu regieren, wenn es nicht so käme?»
Ramses und Nefertari setzten über den Nil, um sich nach Karnak zu begeben. Gemeinsam huldigten sie Gott Amun in seinem Heiligtum, dann hielt die Königin noch Zwiesprache mit der Göttin Sachmet in ihrer Kapelle, wobei es ihr so vorkam, als lächle die steinerne Göttin jetzt milder.
Eigenhändig überreichte der Pharao der Großen königlichen Gemahlin die Schale mit der Arznei, der einzigen, die den bösen Zauber, der sie umgab, zu bannen vermochte.
Der lauwarme Saft schmeckte süßlich.
Schwindel befiel Nefertari, sie legte sich hin und schloß die Augen. Ramses würde nicht weichen von ihrem Lager, würde mit ihr kämpfen, die endlose lange Nacht, da der Stein der Göttin versuchen würde, den blutsaugenden Dämon zu vertreiben.
SECHSUNDVIERZIG
AMENI, ZERZAUST, AUFFALLEND blaß, redete stockend und verhedderte sich in seinen Erklärungen.
«Beruhige dich», riet Tuja, die Mutter des Königs.
«Krieg, Majestät! Der Krieg ist ausgebrochen!»
«Wir haben keinerlei offizielle Nachricht erhalten.»
«Die Generäle sind in heller Aufregung, in den Kasernen brodelt es, ein Wirbel von widersprüchlichen Befehlen…»
«Was ist die Ursache solcher Unruhe?»
«Ich weiß es nicht, Majestät, aber ich bekomme die Lage nicht in Griff… Die Offiziere hören nicht mehr auf mich!»
Tuja ließ den Obersten Vorlesepriester kommen, aber auch zwei Haarmacherinnen.
Um hervorzuheben, daß sie ein heiliges Amt ausübte, ließ sie sich die Geierperücke mit den von der Stirn schräg auf die Schultern herabfallenden Flügeln aufsetzen. Da das Geierweibchen die sorgende Mutter schlechthin verkörperte, würde Tuja unter dieser Geierhaube als Beschützerin Beider Länder angesehen werden.
An Hand- und Fußgelenken trug sie Goldreife und um den Hals eine siebenreihige
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