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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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sich nicht zumindest eine der OPSchwestern erbarmt hatte, dagegenzuhalten. Ich höre noch seine Stimme, die in diesen Momenten etwas von einer Kreissäge an sich hatte: »Kommen Sie,
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    kommen Sie! Sie müssen doch Vertrauen in Ihre eigenen
    Fähigkeiten haben! Ich soll es riskieren, mich von Ihnen aufschneiden zu lassen, und Sie riskieren nicht mal ein paar Dollar?« Im Lauf des Jahres 1990 verlor er nach und nach an die zweitausend Dollar, doch ich glaube, er betrachtete das als eine Art Unterpfand seines Glücks. Es war seine Art, die Götter zu beschwören: Er bot ihnen ein Opfer dar.
    Während des Eingriffs, bei dem man ihm die
    Skelettverstärker in die Beine implantierte, gewann er seine Wette schließlich. Er kollabierte und starb, ohne das
    Bewusstsein wiedererlangt zu haben.
    Ich gedenke ferner meines Kameraden William Freeman.
    Bill war ein verdammt gut aussehender Bursche, das ist das Erste, was mir einfällt. Groß, langbeinig, ein Sprinter mit Weltklassequalitäten und natürlich ein begnadeter
    Baseballspieler. Seine Haut war von geradezu metallischer Schwärze, überall, kann ich berichten, denn er gab uns
    ausgiebig Gelegenheit, ihn in seiner ganzen Pracht zu
    bewundern. Bis er nach dem Duschen anfing, mit dem Einölen aufzuhören und sich in die Klamotten zu bequemen, waren
    andere fast schon wieder schmutzig.
    Mit ihm zusammen auszugehen konnte verheerend für das
    eigene Selbstbewusstsein sein, vor allem, wenn man sich
    eigentlich selbst für gut aussehend hielt und gewohnt war, dass Frauen das auch so sahen. Dabei war er alles andere als
    charmant. Er trug einen dünnen Oberlippenbart, der ihn
    scheißarrogant aussehen ließ, und konnte einen mit
    gnadenloser Kühle abkanzeln. Wenn er etwas sagte, klang es immer irgendwie ungehalten, selbst wenn man ihn nur nach der Uhrzeit gefragt hatte. Er war der erste Mensch, der die
    Kreiszahl Pi auf eine Weise aufsagte, dass ich mich danach fragte, warum, verdammt noch mal, eigentlich das Universum 217
    so beschaffen sein muss, dass man für so etwas Simples wie das Verhältnis zwischen dem Umfang und dem Durchmesser
    eines Kreises so etwas Kompliziertes wie eine irrationale Zahl braucht.
    Gegen ihn war ich ein Pedant und Putzteufel. Überall ließ er abgeschnittene Fußnägel und ausgekämmte Haare liegen, und Unterhosen, nasse Handtücher und leere Burgerschachteln
    gehörten für ihn ohnehin nirgendwo anders hin als auf den Fußboden. Auch vom Lesen hielt er nichts, man musste ihn quasi mit Waffengewalt dazu zwingen. Er stammte aus einer Bergbaustadt; seine Mutter war früh an Lungenkrebs gestorben und sein Vater bei einem Schlagwetter getötet worden: Also gut, er würde diese Bücher lesen, wenn es dazu gut war, dass er nie wieder in diese verdammte Stadt zurückmusste.
    Er musste nie wieder zurück. Er starb bei der Implantation der Nuklearbatterie und wurde auf dem Friedhof des Marine Corps beigesetzt. Ohne die Batterie.
    Ich gedenke ferner meines Kameraden Jordan Bezhani, der
    das Opfer unseres kollektiven Spotts wurde, weil er zu
    schüchtern war, jemals eine Frau anzumachen. Ich glaube, er ist nur Soldat geworden, weil er gehofft hat, dass ihm die Uniform und der ganze militärische Nimbus helfen würde, eine Freundin zu finden. Soweit man wusste, hatte er auf der High School mal eine Zeit lang etwas mit einem Mädchen gehabt, was von seiner Seite aus ernst gemeint gewesen war. Er schien auch nicht wirklich auf diese schnellen Nummern aus zu sein, die wir im Sinn hatten. Er zog manchmal mit uns mit, blieb aber regelmäßig an der Theke kleben, aus seinen wässrigen braunen Augen in das wässrige blassgelbe Bier starrend, das die meisten Kneipen ausschenkten, ein stiernackiger,
    unscheinbarer Mann mit strubbeligem Haar, der sich für zu hässlich hielt, um mit uns mithalten zu können im Rennen um 218
    die Schönen des Abends. Und vermutlich hatte er da nicht Unrecht.
    Er hasste es, schüchtern zu sein, aber er unternahm nie
    Anstrengungen, etwas daran zu ändern. Er war ziemlich träge, glaube ich. Wenn man ihn nicht daran hinderte, aß er
    irgendwelche Fertiggerichte direkt aus der Dose, ohne sie warm zu machen oder sonst wie zuzubereiten, und er war
    imstande, das tagelang so zu treiben und die leer gefressenen Dosen unter seinem Bett zu sammeln, weil er auch den Gang zum Müllcontainer endlos vor sich herschob. Er zeichnete manchmal, Porträts von uns oder den Ärzten, meistens aber Skizzen von Vögeln, die sich im Innenhof der Klinik

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