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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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diese Unterlagen an mich, während Sie...«
    »Kommt nicht infrage«, versetzte Bridget wie aus der Pistole geschossen, entwand mir den Ordner mit einem ebenso raschen wie entschlossenen Griff und presste ihn sich schützend vor die Brust. »Das ist meine Lebensversicherung«, erklärte sie mit wässrigen Augen.
    Ich machte die überraschende Erfahrung, dass auch
    Superkräfte nichts ausrichten gegen Frauentränen. Plötzlich verstand ich, was Finnan über den Umgang mit seiner
    Schwester erzählt hatte. »Das ist nicht Ihre
    Lebensversicherung«, versuchte ich es trotzdem. »Das ist Ihr Todesurteil.«
    213
    »Mister Itsumi hat mir diese Unterlagen anvertraut«,
    beharrte sie, jeder Zoll weibliche Unvernunft. »Solange ich sie habe, kann mir nichts passieren.«
    »Außer dass man Sie umbringt, genau wie man es mit Mister Itsumi getan hat.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich werde mir etwas ausdenken.«
    »Etwas ausdenken? Ihre einzige Chance ist, dass die
    glauben, dass Sie die Unterlagen nie gehabt haben. Wer immer die sind.«
    »Es geht nicht nur um mich«, sagte sie ebenso dickköpfig wie dunkelsinnig. »Es ist ein Problem, aber wir werden es lösen.«
    Finnan warf mir einen teils entsagungsvollen, teils
    amüsierten Blick zu. Sein Kopf machte eine kaum merkliche Bewegung, die so etwas wie ein heimliches Kopfschütteln war.
    Lassen Sie 's, sagte diese Geste.
    Was hätte ich tun sollen? Ihr den Ordner gewaltsam
    entreißen? Natürlich wäre es kräftemäßig kein Problem
    gewesen. Kräftemäßig hätte ich auch einer Müllpresse ein halb zusammengefaltetes Auto entreißen können oder einem
    hungrigen Grizzly das Futter. Aber ich kam nicht an gegen diese Augen, diesen Blick, die feenhafte Zerbrechlichkeit ihrer Gestalt.
    »Na gut.« Ich glaube, ich sank sogar ein bisschen in mich zusammen. »Wie Sie meinen.«
    Finnan sah mahnend auf seine Taschenuhr. »Es ist Zeit.
    Colin müsste eigentlich schon da sein.« An mich gewandt fügte er hinzu: »Er wird Sie zurück nach Dingle bringen.« Damit stand er auf und ging zur Tür, um einen Blick hinaus in die Nacht zu werfen.
    214
    Bridget wartete schweigend, bis ihr Bruder hinter dem
    Vorhang verschwunden war, und sagte dann plötzlich mit
    verhaltener Stimme: »Ich habe mich immer gewundert, was
    mit Ihnen los ist. Weil Sie immer nur geguckt haben. Ich dachte, so wie der aussieht, kann der doch unmöglich derart schüchtern sein. Ich meine, jeder Mann hat es irgendwann bei mir probiert, und ich habe sie alle abgewiesen. Aber Sie haben mich neugierig gemacht.« Sie sah hinab auf den Ordner mit der Geschichte meines Lebens. »So was konnte ich ja nicht
    ahnen.«
    Ich glaube, ich war rot wie eine Tomate, als sie aufhörte zu sprechen. Völlig außerstande, etwas zu erwidern. Ich war beinahe froh, dass in diesem Augenblick draußen ein Auto zu hören war und gleich darauf Finnan und ein vierschrötiger junger Mann mit ungesund ausgeprägter Akne hereinkamen
    und es Zeit war, zu gehen.
    So werde ich sie in Erinnerung behalten: wie sie dasitzt, den silbernen Ordner auf dem Schoß, das Gesicht umlodert von ihrem roten Haar, und mir mit einem Blick nachsieht, der um versäumte Gelegenheiten zu trauern scheint.
    215
    Der Tod löscht alle Schmerzen aus. Er ist ihr Ende, und über ihn geht unser Leiden nicht hinaus. Er führt uns wieder in den gleichen Ruhezustand zurück, in dem wir uns vor der Geburt befunden haben.
    Seneca, AD MARCIAM

14
    Ich will der Toten gedenken. Ich glaube, es ist an dieser Stelle angebracht.
    Ich gedenke meines Kameraden Vernon Edwards. Er sah aus
    wie ein hässlicher großer Bruder von Richard Gere und
    schaffte es, selbst im tiefsten Winter sonnenverbrannt
    daherzukommen, wie auch immer er das angestellt haben mag.
    Meistens trug er sein Haar so kurz geschoren, dass man
    Probleme hatte, auszumachen, von welcher Farbe es war.
    Braun, anbei bemerkt. Er hatte ein Gemüt wie ein Bulldozer, brachte es fertig, auf den Gefühlen von einem Dutzend Leuten gleichzeitig herumzutrampeln und sich dabei prächtig zu
    fühlen. Sein Trick war vermutlich, einfach niemanden ausreden zu lassen. Und er war zu jeder Tages- und Nachtzeit auf full power, auf Höchstgeschwindigkeit, vibrierte stets derart vor Anspannung, dass es auf einen überspringen konnte, wenn man längere Zeit neben ihm saß.
    Und er wettete ständig. Eine Besessenheit. Vor jeder
    Operation wettete er mit jemandem, dass er sie nicht
    überstehen würde, und er ließ sich nicht auf den Tisch
    schnallen, ehe

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