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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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haben war, und wenn man ihn beobachtete, wie er ein MP-5N Maschinengewehr auspackte, zerlegte, reinigte und wieder zusammen setzte, wie er es aufnahm und anlegte, hatte man manchmal den Eindruck, einer intimen Handlung
    beizuwohnen.
    »Es gibt einen Moment, in dem man eins wird mit der
    Waffe«, erklärte er mir einmal, eine Beretta M9 streichelnd, 221
    und wie er das sagte, hatte er etwas von einem Zen-Mönch an sich. »Du wirst die Waffe, die Waffe wird zu dir. Es gibt keine Trennung mehr. Das ist das Wunderbare.« Er legte die Pistole weg und schüttelte den Kopf. »Ich hasse es jedes Mal, wenn es wieder zu Ende geht.«
    Bestimmt hat er es auch gehasst, wie es mit ihm zu Ende
    ging. Während eines routinemäßigen, nicht einmal besonders anspruchsvollen Trainings hatte er eine Fehlfunktion seiner Systeme, die ihn von innen heraus tötete.
    Colin fuhr schweigend Er wirkte müde, zugleich aber so, als habe er Anweisung, ein Gespräch mit mir zu vermeiden.
    Außerdem trug er, wie ich entdeckte, ein Hörgerät im linken Ohr, das nicht besonders gut zu funktionieren schien und schon das bisschen, das wir an Konversation trieben, mühsam
    machte. Kurz nachdem wir von der blanken Wiese auf den
    Feldweg gelangt waren, vollführte auch er das Spiel mit dem Funkgerät und wartete, bis ihm mehrere Stimmen aus dem
    Äther versicherten, dass die Vögel schliefen. Nach dieser beruhigenden Botschaft lenkte er den Wagen zurück auf die Straße, wo er das Licht aufdrehte und dermaßen Gas gab, dass in weitem Umkreis alle eventuell tatsächlich schlafenden Vögel unweigerlich aufgewacht sein müssen, und preschte
    zurück nach Dingle.
    Dort nahm er eine Route durch schmale Altstadtgassen, hielt kurz in einem versteckten, finsteren Winkel, um mich
    aussteigen zu lassen, und brauste grußlos davon. Ich blieb stehen, wo ich war, scannte die Umgebung, fand aber nichts, was meinen Verdacht oder den meiner Systeme erregt hatte.
    Auf einmal war ich es leid, dieses ganze technische Zeug in meinem Fleisch aktiv zu wissen Ich schaltete alles ab, legte den Kopf in den Nacken und lauschte einfach – dem Rauschen des Windes, dem Gischten des Meers, dem einsamen, trunkenen
    222
    Singsang eines anderen späten Wanderers. Über mir war nur der sternenlose Nachthimmel, man glaubte Wolkenformationen zu erahnen, schwarz in schwarz, und nahenden Regen zu
    riechen. Außerdem roch es nach Frittierfett von irgendwoher.
    Ich war müde, müde und aufgedreht und traurig. Ich wurde Bridget nicht wiedersehen, niemals.
    Ich ging durch die Nacht und stille Straßen und hörte meinen Schritten zu, wie sie zwischen den Mauern hallten. Ich ging durch die Nacht und fragte mich, was Seneca getan hätte an meiner Stelle. Ob er wirklich Gleichmut bewahrt hätte. Mir schien, dass diese Trauer, diese Wehmut nicht zu fühlen
    bedeutet hätte, etwas Kostbares im Leben zu versäumen. Was sagen Sie dazu, Lucius Annaeus Seneca?
    Müde ging ich den Weg nach Hause, müde zog ich auf den
    letzten Schritten meine Schlüssel hervor.
    Dann sah ich etwas, das alle Müdigkeit mit einem Schlag
    von mir weichen ließ.
    Die Haustür stand einen handbreiten, dunklen Spalt weit
    offen.
    Ich schritt die Wohnung ab, mit einem tauben Gefühl im
    Leib, von dem ich nicht wusste, ob es Wut war oder
    Verzweiflung. Sie waren da gewesen. Das Infrarot zeigte ihre Spuren, wenige Stunden alt, helle grüne Schatten, in denen man beinahe Fingerabdrücke zu erkennen glaubte. Sie hatten das Bücherregal komplett leer geräumt, alles mitgenommen, jedes einzelne Buch. Jede Schublade war geöffnet worden, jedes Schrankfach durchwühlt. Meine Kleider hatten sie mir gelassen, aber mein Pass lag nicht mehr in der
    Nachttischschublade. Den Kühlschrank hatten sie ignoriert, das Glas Marmelade und die Flasche Tabasco darin standen
    223
    unberührt, dafür war die Besteckschublade eingehend inspiziert worden. Vielleicht war es doch Wut, dieses taube Gefühl.
    Hatten sie, wer immer sie waren – obwohl ich eben erst
    Beweise gesehen hatte, dass meine Eltern wahrscheinlich
    ermordet worden waren, weigerte ich mich auf schizophrene Weise immer noch zu glauben, dass meine eigenen Leute
    hinter mir her sein sollten –, hatten sie sich geärgert, dass sie mich nach dem Konzert verloren hatten? Hatten sie diesen Ärger an meiner Wohnung ausgetobt? Oder war, mich
    abwesend zu wissen, ihnen am Ende eine willkommene
    Gelegenheit gewesen?
    Beim zweiten Durchgang entdeckte ich, dass sie sogar meine Matratze aufgeschlitzt

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