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Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Titel: Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jojox
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verstehe. Okay, du kleiner Gernegroß, ich mach dir einen Vorschlag: Ich zahle dir einen Vierteldollar... «
    Doch noch ehe Lilian ihren Satz beenden konnte, antwortete ich: »Nein, das ist nicht genug!«
    »Du bist aber ganz schön geldgierig. Also, wie viel willst du?«

    99

    Ich spürte, wie ich innerlich schon den Rückzug antrat. Big Larry hatte mir nicht beigebracht, was ich in einem solchen Fall tun sollte. »Ich weiß nicht«, sagte ich, als ich merkte, wie mein ganzes Selbstvertrauen dahinschwand.

    »Weißt du was«, sagte sie, immer noch über mich gebeugt. »Ich gebe dir dreißig Cent. Das ist mein letztes Wort. «
    Aus Big Larrys Instruktionen wusste ich, dass ich, wenn jemand sagte »Das ist mein letztes Wort«, besser schnellstens einwilligte. Also nickte ich triumphierend.
    »Abgemacht! Jetzt fehlt nur noch der Handschlag.«
    Als ich Lilian ansah, konnte ich erkennen, dass sie mit meiner Geschäftstüchtigkeit nicht gerechnet hatte.
    Ich hatte das Gefühl, dass ich sie mit einem Trick nicht nur dazu gebracht hatte, mir überhaupt Geld zu versprechen, sondern auch noch mehr Geld, als sie ursprünglich vorgehabt hatte.
    Ich brauchte fast zwei Stunden, um das Badezimmer zu putzen - »wie ein Profi«, wie Mrs. Catanze sagte.
    Dabei hatte ich das Gefühl, dass sie mich doch irgendwie hereingelegt hatte. Als ich den Fliesenboden zum dritten Mal schrubbte, wusste ich, dass ich am Abend mit Big Larry noch mal ein ernstes Wort über unseren angeblich narrensicheren Plan reden musste.
    Doch meine gemischten Gefühle verschwanden schlagartig, als Lilian einen Vierteldollar und ein Fünf-CentStück in meine Hand fallen ließ. Ich vergaß ganz, mich zu bedanken, rannte schnellstens in mein Zimmer, suchte meine Sparbüchse hervor, die ich aufbewahrt 100

    hatte, und ließ das Geld hineinfallen. Jeden Tag schaute ich in der Sparbüchse nach. In weniger als einem Monat hatte ich über vier Dollar verdient - mehr als genug für die Fahrradreparatur, wie ich dachte.
    Schließlich, nachdem ich allen nochmals gehörig auf die Nerven gegangen war, fuhr mich Tony, Lilians Sohn, auf der Ladefläche seines zerbeulten alten Lieferwagens, eines orangefarbenen Chevy, zum Fahrradladen. Tony kannte, ohne dass ich ihn nochmals nerven musste, alle Ersatzteile, die ich benötigte. Ich tat so, als bekäme ich nicht mit, dass Tony, als er die Rechnung bekam, zu meinen Münzen noch einiges dazulegen musste.
    An jenem Tag lieh ich mir, ohne vorher um Erlaubnis gefragt zu haben, Werkzeug, das ich im Haus gefunden hatte, und begann, mein Fahrrad zu reparieren. Nach Dutzenden von Versuchen, die beiden Schläuche in die Radmäntel hineinzubekommen, wischte ich mir das Blut von den Händen, sprang auf mein Fahrrad und stieß zum ersten Mal in meinem Leben einen Siegesschrei aus, als ich die Straße hinabsauste, ohne mich im Geringsten um den Verkehr und andere Gefahren zu kümmern.
    An diesen 21. August 1973 erinnere ich mich noch heute: Es war mein Tag auf meinem Fahrrad. An diesem Tag hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, ein ganz normales Kind zu sein, für das dieser glorreiche Tag nie enden durfte. Jahrelang hatte ich gehört, wie andere Kinder auf ihren Rädern die Straße hinabsausten und vor Freude schrien, als sie vorbeifuhren. An jenem Tag muss ich die Straße bestimmt tausendmal rauf und runter gefahren sein.
    Mrs. Catanze musste mich am Ende regelrecht wieder ins Haus zerren: »David Pelzer, es ist jetzt schon seit 101

    über einer Stunde dunkel! Komm endlich rein!«, brüllte sie, als ich weiterhin trotzig an ihr vorbeisegelte.
    Die Beine schmerzten mir zwar schon vom ewigen Bergaufstrampeln, aber ich wollte einfach nicht, dass dieser ganz besondere Tag zu Ende ging. Als Lilian so dastand, die Hände in die Hüften gestemmt, sprang ich jedoch vom

    Rad und sammelte, als ich das Fahrrad bergauf nach Hause schob, den ganzen Weg hinauf frischen Mut. An Lilians Gesichtsausdruck konnte ich sehen, dass sie mich gleich fürchterlich anschreien würde. Aber ich brachte sie aus dem Konzept, indem ich sie, so lieb ich konnte, anlächelte.
    »Na, ist ja schon gut«, sagte sie, als sie ihren Arm um mich legte. »Rein mit dir! Keine Angst, morgen ist auch noch ein Tag. Wenn du deine Pflichten getan hast, kannst du mit dem Fahrrad in den Park fahren. «
    Ich ballte meine Faust in Siegerpose. »Ja!«, schrie ich.
    Als ich in aller Frühe am nächsten Morgen aus dem Bett stieg, entdeckte ich, dass ich meine Beine kaum noch beugen konnte. Aber

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