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Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Titel: Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jojox
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Ehepaar Ende zwanzig mit drei eigenen Kindern. John hatte langes schwarzes Haar und spielte in einer Rock 'n' Roll-Band Klavier, während Linda als Kosmetikberaterin in der örtlichen Walgreens-Drogeriefiliale arbeitete. Sie waren beide sehr nett, und ihre lockere Lebenseinstellung überraschte mich aufs Äußerste. Sie erlaubten mir so gut wie alles. Als ich mir ein Moped kaufen wollte, sagte John ja. Und als ich John eines Tages schüchtern fragte, ob er mit mir in das örtliche Sportge-schäft fahren würde, damit ich mir ein Luftgewehr kaufen könne, sagte er nur: »Dann lass uns fahren! «
    Ich war total verblüfft. Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, Mr. oder Mrs. Turnbough um so etwas zu bitten, aber John zuckte nicht mal mit der Wimper.
    Seine einzige Bedingung war, dass er mich anfangs darin unterweisen müsse, wie man sicher mit einem 244

    solchen Gewehr umgeht, und dass ich, nur unter seiner Aufsicht, ausschließlich auf Zielscheiben aus Papier schießen dürfe. Schon bald gab ich mir keine Mühe mehr, eine neue Arbeit zu finden. Ich machte mir statt dessen die lockere Einstellung der Walshs zu Eigen.
    Ein paar Wochen, nachdem ich in die High School aufgenommen worden war, sagten mir John und Linda, sie würden umziehen. Ohne weiter nachzudenken, stapfte ich in das Zimmer, das ich mit ihrem zweijährigen Sohn teilte, und stopfte all meine Habseligkeiten in einen Kissenbezug. Ich war sehr wütend. Anscheinend kam jedesmal, wirklich jedes Mal, wenn ich mich gerade in einer neuen Umgebung eingelebt hatte, irgendetwas in die Quere. Mir war zwar schon aufgefallen, dass sich John und Linda ewig stritten, aber daran hatte ich mich schon ebenso gewöhnt wie daran, dass ich dauernd bei ihren ungezogenen Kindern babysitten musste. Ich schulterte meinen Besitz, marschierte ins Wohnzimmer zurück und sagte: »Alles klar! Auf geht's! Bringt mich zum Hill!«
    John und Linda sahen sich nur an und lachten. »Nee, mein Lieber«, sagte John und wedelte dabei mit der Hand vor seinem Gesicht. »Ich habe gesagt, wir ziehen um, aber du kommst mit uns - es sei denn, du hast Probleme damit. «
    Ich wurde richtig wütend auf mich selbst. Da stand ich nun vor ihnen und sinnierte mehrere Minuten, bevor ich schließlich ebenfalls lachte und sagte: »Ich weiß gar nicht, was es da zu lachen gibt! Ich habe schon gepackt! Und ihr?«
    Linda boxte John in den Bauch. »Wie clever er doch ist!«

    245

    Am nächsten Tag stand ich hinten in einem übergro-
    ßen Umzugswagen, den John in die neue Wohngegend am Rande des Landkreises steuerte. Als er endlich anhielt, sprang ich vom Wagen. Und ich konnte gar nicht glauben, was ich sah. Es war, als wären die Walshs in eine Nachbarschaft gezogen, wie ich sie sonst nur aus Fernsehserien kannte. Ich marschierte um den Umzugswagen herum und sah mir den ganzen Straßenblock staunend an. Jeder Rasen war perfekt gepflegt. Die makellosen Häuser sahen eher wie Miniaturlandsitze als wie normale Wohnhäuser aus, und alle Autos in den Einfahrten blinkten, als wären sie gerade frisch gewachst worden. Ich schlenderte auf der Straßenmitte den Duinsmoore Drive entlang, atmete den süßen Duft der Blumen ein und hörte, wie eine Brise durch die Äste einer riesigen Trauerweide strich.
    Ich schüttelte den Kopf und lächelte innerlich.
    »Ja«, rief ich, »hier kann ich leben!«
    In kürzester Zeit hatte ich Freundschaft mit Paul Brazell und Dave Howard geschlossen, zwei Teenagern aus der Nachbarschaft, die anscheinend von meinem dunkelrostroten Moped und von meinem Luftgewehr fasziniert waren. Ihre Augen sahen abenteuerhungrig aus, und ich war nur allzu gern bereit, diese Abenteuer mit ihnen zu erleben. Ich entdeckte, dass auch Paul ein Moped besaß, und schon bald veranstalteten wir drei auf der unbelebten Straße Mopedrennen. Dabei gewann immer Paul, und zwar aus drei Gründen: Sein Moped hatte mehr PS als meines, er selbst war leichter als ich, und er hatte Bremsen, die es ihm erlaubten, erst wesentlich später als ich abzubremsen, wenn es um die Kurve ging.
    Von Hunderten solcher Rennen gewann ich nur eines. An jenem Tag war mein Gaszug stecken 246

    geblieben. Das machte mir zunächst keine Sorgen, ich hatte ja den Schalter zum Abstellen des Motors - nur dass ich ganz schnell feststellte, dass dieser Schalter den Motor gar nicht abschaltete. Weil ich keine richtigen Bremsen hatte, versuchte ich nun, mit den Füßen zu bremsen. Doch dabei rutschte ich mit den Schuhen aus und mein Hemd verfing sich

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