Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc
Rädern, die mir der Autohändler geliehen hatte. Einmal, nachdem wir drei einen Film über Stuntmen in Hollywood gesehen hatten, saßen wir, die Augen nach vorn gerichtet, in unserem Auto, während ich perfekt geradeaus rückwärts fuhr, ohne mich umzusehen. Dieser Stunt verursachte einige Blechschäden und ließ einige Autofahrer an ihrem Verstand zweifeln. Natürlich hatten wir anschließend auch ein paar Probleme mit den Hütern des Gesetzes. Aber ich wusste, dass meine Abenteuerzeit bald unwiderruflich zu Ende war, als auch Paul und Dave erwachsen wurden und sich nach Jobs umzusehen begannen.
Mehr als je zuvor suchte ich nun im Duinsmoore Drive nach Hilfestellung und Rat. Einmal kam Dan sogar zu Alice nach Hause, um mir eine fixe Idee auszureden, die ich mir in den Kopf gesetzt hatte: dass ich Stuntman in Hollywood werden wollte. Zusammen mit Paul verwendete Mr. Brazell viele Stunden darauf, mir klarzumachen, wie dumm das alles sei. Ich hatte Dan schon immer sehr gern gehabt, und als ich Paul und Dan zur Tür brachte, nachdem sie mir meine Schnapsidee ausgeredet hatten, wurde mir auf einmal klar, dass ich Dan viel näher stand als meinem eigenen Vater.
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Genauso rührend und intensiv waren die Marshs um mich bemüht. Oft half ich Sandra bei ihrer Hausarbeit, um auf diese Weise noch anderes hinzuzulernen, das meiner Selbstständigkeit förderlich war. Als Mr. Marsh mir empfahl, zu den Streitkräften zu gehen, dachte ich natürlich sofort an die Air Force. Doch schon in meinem ersten High-School Jahr hatte ich mich einem Eignungstest der Luftwaffe unterzogen und war mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Außerdem war ich überzeugt, dass ich es draußen in der Welt auch ohne Schulabschluss zu etwas bringen konnte.
Der Sommer verging und ich beschloss - weil ich fast 18 war und Geld verdienen musste, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten -, von der High School abzugehen. Alice wurde leichenblass, doch meine Karriere als Autoverkäufer war schon recht gut vorangekommen. Unter mehr als vierzig Verkäufern der Firma war ich beständig unter den besten fünf. Doch nur wenige Monate nach meinem achtzehnten Geburtstag entwickelte sich eine Rezession, die Benzinpreise schossen in die Höhe und meine Ersparnisse schrumpften. Die Tatsache, dass ich mit Riesenschritten ins Abseits marschierte, wurde mir schlagartig klar.
Um meinen Schwierigkeiten zu entkommen, fuhr ich an einem Sonntag in meinem zerbeulten
orangefarbenen Ford Mustang (Baujahr 1965) nach Norden - auf der Suche nach dem Russian River. Ich wusste nicht genau, wie ich dorthin fahren musste, aber ich verließ mich einfach auf meinen Instinkt und meine Kindheitserinnerungen. Ich wusste, dass ich meinem Ziel schon ganz nahe war, als sich riesige Redwoodbäume vor meiner Windschutzscheibe auftürmten. Mein Herz schien sich zu überschlagen, als ich 271
mein Auto am alten Safeway-Supermarkt parkte. Meine Augen erspähten dieselben Gänge zwischen den Einkaufsregalen, durch die ich schon als Kind gegangen war. An der Kasse kramte ich in meinen Hosentaschen und gab mein letztes Kleingeld für eine Salamistange und ein Baguette aus. Ich setzte mich auf eine verlassene Sandbank an Johnson's Beach und knabberte langsam an meinem Lunch. Dabei lauschte ich dem Plätschern des Russian River und hörte auch die kratzenden Metallgeräusche, als sich ein übergroßes Wohnmobil über die enge, mit Immergrün bewachsene Brücke quälte. Hier draußen fand ich meinen Frieden, hier kam ich mit mir ins Reine.
Um mir mein selbst gegebenes Versprechen, am Russian River zu wohnen, erfüllen zu können, musste ich erst zu mir selbst finden. Das wusste ich. Doch das war nicht möglich, solange ich meiner Vergangenheit räumlich noch so nahe war. Ich musste mich lösen, musste aufbrechen. Als ich meinen Abfall einsammelte und den Strand verließ, schien mir die Sonne auf die Schultern. Aber auch in meinem Innern war es warm.
Denn ich hatte meine Entscheidung getroffen. Als ich mich ein letztes Mal zum Fluss umwandte, war mir nach Weinen zumute. Wenn ich wollte, konnte ich ja jederzeit an den Fluss ziehen, aber ich wusste, dass es momentan noch nicht gut wäre. Also atmete ich tief ein und wiederholte dann langsam das Versprechen meines Lebens: Ich komme zurück.
Ein paar Monate später, nachdem ich meinen HighSchool-Abschluss nachgemacht und auch eine Reihe von Tests und Hintergrundprüfungen bestanden hatte, trat ich voller Stolz in die Dienste der US Air
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