Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc
Antworten auf ihre besondere Lage suchen, während sie sich alle Mühe geben, sich in die normale Welt einzufügen.
Es gibt noch viele andere hingebungsvolle Pflegeeltern - zum Beispiel Debbe Magnusen, die mitten in der Nacht Babys aufnimmt, die drogensüchtig geboren wurden von Müttern, die regelmäßig Crack genommen haben. Wie viele andere Pflegemütter hat auch Debbe ihre ehemaligen Pflegekinder adoptiert. Zu den legendären Pflegemüttern und Pflegevätern gehören auch Nina Coake, Judy Fields und Lennie Hart, die sich alle schon seit mehr als 35 Jahren 285
gefährdeten Kindern widmen und die sich darüber hinaus für die Belange und Rechte aller Pflegekinder einsetzen. Zu dieser Gruppe gehörte auch Pamela Eby, die ihr Leben buchstäblich der Rettung von Kindern gewidmet hat, bis sie schließlich ihren letzten Kampf gegen den Krebs verlor.
Ich kann nicht einmal andeutungsweise zum Ausdruck bringen, wie sehr sich in mir immer alles umdreht, wenn ich höre, wie jemand Polizisten als
»Bullen« oder »Schweine« verunglimpft. Auch hier kann man sich nur vorstellen, welcher Art die Welt wohl wäre, in der wir lebten, wenn es keine Polizisten gäbe, die Kinder vor Misshandlungen retten und die kugelsichere Westen tragen, weil sie sonst Angst haben müssten, bei der Schlichtung heftiger häuslicher Streitigkeiten selbst zu Tode zu kommen. Und wer sich über unser Schulsystem das Maul zerreißt, bedenkt dabei möglicherweise nicht, dass die Lehrer und anderen Mitarbeiter in den Schulen es oft sozusagen hautnah mit misshandelten Kindern zu tun haben, und dass sie rettungslos überlastet sind. Wer das bezweifelt, sollte sich einmal in einen Klassenraum mit 75 Schülern begeben. Das hat mit Unterricht meistens viel weniger zu tun als mit dem Versuch, eine Menschenmasse unter Kontrolle zu halten. Und doch -
wer hat neben Eltern und gesetzlichen Vormunden den größten Einfluss auf das Leben unserer Kinder, wenn nicht die Lehrer? Und was schließlich die Mitarbeiter der Sozialdienste betrifft - von den Betreuern in Jugendstrafanstalten über die Mitarbeiter der Jugendämter, Bewährungshelfer bis zu den ehrenamt-lichen Interessenvertretern der Pflegeeltern bei den Jugendgerichten - für all ihre Bemühungen kann ich gar 286
nicht genug Hochachtung und Bewunderung empfinden.
Es gibt Organisationen, die in amerikanischen Gemeinden eine äußerst wertvolle Rolle spielen, wenn es darum geht, »gefährdeten Kindern« etwas Gutes zu tun. Dazu gehören die Mitglieder des
Jungunternehmerverbandes United States Junior Chamber of Commerce, die so genannten »Jaycees«
(nach der Abkürzung JC). Diese Freiwilligen setzen sich für humanitäre Dienste und Ziele ein. Zum Beispiel werden jedes Jahr im Staat Nebraska von den Jaycees mehrere tausend Dollar für das Hilfsprogramm zugunsten von Pflegekindern gesammelt. In der Weihnachtszeit verschenken im ganzen Land Jaycee-Ortsgruppen Weihnachtsbäume an Kinder, die noch nie eine Douglasfichte gesehen, geschweige denn gerochen haben. Doch damit nicht genug. Die Jaycees gehen auch mit Hunderten von Kindern im Schlepptau zum Einkaufen - Kindern, die sich noch nie eigenes Spielzeug aussuchen durften. Solchen Kindern steht der Sinn jedoch niemals nach Gameboys oder prestigeträchtigen Turnschuhmarken, sondern eher nach Kleidungsstücken, die eine Nummer zu groß sind
- damit sie länger etwas von ihren Sachen haben.
Eine andere hier zu nennende gemeinnützige Organisation ist das Arrow Project, das sich in mehreren Staaten der USA den Bedürfnissen von Kindern und Familien widmet, indem es Pflegefamilien vermittelt, diagnostische und Erziehungsdienste anbietet und auch sonst bei Bedarf eingreift.
Im März 1994 hielt ich bei einem Kongress in Ohio einen der Hauptvorträge. Versammelt waren Polizisten, Vollzugsbeamte, Lehrer und Sozialarbeiter. Bei dieser Gelegenheit sagte meine Vorrednerin einen Satz, der 287
die Probleme kristallklar auf den Punkt bringt: »Um ein Kind zu retten, muss die ganze Gemeinde mitmachen!«
Allzu oft wachsen - als Ergebnis der Auflösung von Familien und Wertordnungen sowie aufgrund fehlender Vorbilder, mangelnder Fürsorge und unzureichender Anleitung für Minderjährige - Kinder zu
»Tötungsmaschinen« heran. Doch wenn wir heute in unsere »gefährdeten Jugendlichen« investieren, erhöht sich dann nicht die Wahrscheinlichkeit für unsere Gesellschaft, dass die »Erträge« morgen besser ausfallen - dass wir es mit Erwachsenen zu tun haben, die
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