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Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Titel: Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jojox
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Leben in Pflegefamilien bedeutet.

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    Im Januar 1994 hatte ich die Ehre und das Vergnügen, in Ottumwa, Iowa, ein Fortbildungsseminar für Pflegeeltern zu veranstalten, die - mitten in einem schweren Schneesturm, der diese Gegend des Landes weitgehend lahm legte - aus der ganzen Region zusammengekommen waren. Ich präsentierte ein Programm zum Thema, wie man am besten mit Kindern umgeht, die in ihren Herkunftsfamilien misshandelt wurden. Während des Kurses berichtete ich zum Beispiel, wie ich als Kind meinen Schmerzen dadurch entkommen war, dass ich immer wieder von einem Helden träumte. Äußerlich gesehen passte mein Held nicht in eine normale Gesellschaft, doch in seinem Innern wusste mein Held genau, wer er war und dass er anderen in Not Gutes tun wollte. In meinen Träumen sah ich mich selbst als meinen Helden. Ich flog durch die Luft, ich trug einen roten Umhang, und auf meiner Brust trug ich das Emblem »S«. Ich war Superman. Als ich das sagte, gab es einen Riesenapplaus der vor mir versammelten Pflegeeltern. Manchen von ihnen kamen die Tränen, und sie hielten einen Autoaufkleber in die Höhe, auf dem zu lesen stand: SUPERMAN HATTE
    PFLEGEELTERN.
    Allen, die mit »verlorenen Söhnen und Töchtern« zu tun haben, wünsche ich für ihre Arbeit Gottes Segen!

Alice Turnbough
Pflegemutter

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    Dave kam zu uns, als er 13 Jahre alt war. Und ich glaube, ich bin immer noch seine Pflegemutter.
    Zunächst war er, glaube ich, eine Mischung aus verängstigt und defensiv. Er war ein wenig wild und extrem frustriert, aber meistens tat er, was man ihm sagte.
    Damals, als Dave zu uns kam, hatten wir nur Mädchen im Teenageralter zu betreuen. Er machte sie ein wenig verrückt, weil er ihnen ständig folgte und dauernd auf sie einredete. Hinzu kam, dass David sehr ordnungsliebend war, die Mädchen dagegen nicht. Er besaß nicht viel, aber was er besaß, das hütete er wie einen Goldschatz. Und immer musste alles am richtigen Platz liegen. Aber so sind viele Pflegekinder.
    Dave verhielt sich nie altersgerecht. Punkt. Er versuchte immer, wie Ältere zu handeln. Er hatte immer etwas zu tun und zu arbeiten. Schon als Dreizehnjähriger wirkte er manchmal wie 20, und er dachte immer weit voraus.
    Ich war ungefähr 30 Jahre lang Pflegemutter und habe in dieser Zeit annähernd 75 Kinder betreut.
    Angefangen hatte alles, als mir ein Herr zwei Kinder vorstellte, die dringend Hilfe brauchten.
    Um moralische Bewertungen haben wir uns nie gekümmert. Diese Kinder waren einfach genauso wie andere Kinder - außer dass sie von anderen Menschen nicht so behandelt worden waren. Pflegekinder brauchen hauptsächlich jemanden, mit dem sie reden können. Als Pflegemutter würde ich mir bessere Eignungsuntersuchungen wünschen, damit eher die richtigen Kinder in die richtigen Familien kommen.
    Eine der Belohnungen für das Dasein als Pflegemutter ist es, wenn man miterlebt, dass die 292

    Kinder sich so entwickeln, wie man sich das immer erhofft hatte.
    Ich habe schon immer gewusst, dass David seinen Weg gehen würde. Einer der denkwürdigsten Augenblicke war für uns, als David zur Air Force ging.
    Denn er hatte es unheimlich schwer gehabt, angenommen zu werden. Dann musste ich mich daran gewöhnen, dass er dauernd wieder wegflog. Harold und ich waren sehr überrascht und stolz, dass er seine Zukunft in die eigenen Hände genommen hatte.
    Derartig motiviert sind nicht viele Pflegekinder.
    Obwohl ich immer wusste, dass David gut zurecht-kommen würde, habe ich nie geglaubt, dass er es so weit bringen würde, wie er es dann tatsächlich gebracht hat. Der Tag, an dem ich erfuhr, dass er die Auszeichnung als einer von Ten Outstanding Young Americans (TOYA, zehn herausragende junge Amerikaner) erhalten hatte, war für mich als Pflegemutter einer der stolzesten Tage in meinem Leben. Pflegekinder erreichen einen solchen Status fast nie, weil sie sich von den Vorurteilen unserer Gesellschaft zurückhalten lassen.
    Dave war das letzte Pflegekind, das bei uns aus dem Hause ging. Ich bin stolz darauf, Daves Mutter zu sein.

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Dennis Tapley
Lehrer

    Ich bin seit mehr als 20 Jahren Lehrer. Als ich die Ein-gangsklasse der High School in San Bruno unterrichtete, war das Konzept des »Förderunterrichts«, wie wir es heute kennen, von der Bundesregierung gerade erst nachdrücklich propagiert und finanziell gefördert worden. Das Förderunterrichtsprogramm trug der Tatsache Rechnung, dass manche Kinder mit kleineren Lernschwächen einfach

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