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Middlesex

Middlesex

Titel: Middlesex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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Mutter und tat dasselbe. Dreißig Sekunden später war das Wachs hart geworden.
    »Ich hab 'ne Überraschung für dich«, sagte Tessie.
    »Was?«, fragte ich, als Helga riss. Ich war überzeugt, dass mein junger Schnauzbart weg war. Und auch meine Oberlippe.
    »Dein Bruder kommt über Weihnachten nach Hause.«
    Mir tränten die Augen. Ich blinzelte und sagte, vorübergehend sprachlos, nichts. Helga wandte sich meiner Mutter zu.
    »So 'ne Überraschung«, sagte ich dann.
    »Er bringt seine Freundin mit.«
    »Er hat eine Freundin? Wer will denn mit dem gehen?«
    »Sie heißt...« Helga riss. Nach einer Pause fuhr meine Mutter fort: »Meg.«
    Von da an nahm sich Sophie Sassoon meiner Gesichtshaare an. Ich ging ungefähr zweimal im Monat hin, fügte Enthaarung einer stetig wachsenden Liste von Instandhaltungserfordernissen hinzu. Ich begann, mir die Beine und Unterarme zu rasieren. Ich zupfte mir die Augenbrauen. Die Kleiderordnung meiner Schule untersagte Kosmetika. Aber an den Wochenenden experimentierte ich, in gewissen Grenzen. Reetika und ich malten uns in ihrem Zimmer das Gesicht an, reichten einen Handspiegel hin und her. Besonders verfallen war ich theatralischen Kajalstiften. Hierbei war mein Vorbild Maria Callas, vielleicht auch Barbra Streisand in Funny Girl. Die triumphalen, langnasigen Diven. Zu Hause schnüffelte ich in Tessies Bad herum. Ich liebte die amulettartigen Fläschchen, die wunderbar riechenden, scheinbar essbaren Cremes. Auch ihren Gesichtsbefeuchter probierte ich aus. Man hielt das Gesicht an den Plastikkegel und wurde von Wärme angeblasen. Von den fettigen Feuchtigkeitscremes ließ ich aus Angst, Ausschlag zu bekommen, die Finger.
    Seit Pleitegeier am College war - er war inzwischen im zweiten Studienjahr -, hatte ich das Badezimmer für mich. Das sah man schon am Arzneischränkchen. In einem kleinen Zahnputzbecher standen aufrecht zwei rosa Daisy-Rasierer, daneben eine Spraydose Pssssssst-Fertigshampoo. Eine Tube Dr. Pepper Lip Smacker, das wie Limonade schmeckte, küsste eine Flasche »Gee, Your Hair Smells Terrific«. Mein »Breck Creme Rinse with Body« versprach, mich zum »girl with the hair« zu machen (aber war ich das nicht längst?). Weiter geht's zu den Gesichtsprodukten: meinem Epi*Clear Acne Kit, meinem Crazy Curl-Lockenstab, einem Glas Femlron Eisendragées, die ich eines Tages zu brauchen hoffte, und eine Streubüchse Love's Baby Soft-Körperpuder. Dann standen da noch meine Aerosoldose Soft & Dri extramildes Deodorant und meine beiden Parfümflaschen: Woodhue, ein leicht verstörendes Weihnachtsgeschenk von meinem Bruder, das ich folglich nie auftrug, und L'Air du Temps von Nina Ricci (»Only the romantic need apply«). Dann hatte ich noch ein Döschen Jolén-Bleichcreme für die Zeit zwischen den Terminen im Golden Fleece. Zwischen diesen totemischen Gegenständen verstreut, lagen einzelne Q-Tips und Wattebäusche, Lippen konturstifte, Max Factor-Augen-Make-up, Maskara, Rouge und alles andere, was ich in dem aussichtslosen Kampf um Schönheit anwandte. Schließlich, ganz hinten in dem Schränkchen, war die Schachtel Kotex-Binden, die meine Mutter mir eines Tages mal gegeben hatte. »Die sollten einfach bereitliegen«, hatte sie gesagt und mich damit völlig erstaunt. Mehr an Erklärung gab es nicht.
    Die Umarmung, die ich Pleitegeier im Sommer '72 hatte angedeihen lassen, erwies sich als eine Art Lebewohl, denn als er nach seinem ersten Jahr am College nach Hause kam, war er ein anderer Mensch geworden. Mein Bruder hatte sich die Haare wachsen lassen (nicht so lang wie meine, aber trotzdem). Er hatte angefangen, Gitarre zu lernen. Auf seiner Nase hockte eine Nickelbrille, und statt gerade geschnittener trug er nun verwaschene Bell-bottom-Jeans. Die Mitglieder meiner Familie hatten schon immer einen Hang zur Selbstverwandlung. Während ich mein erstes Jahr an der Baker & Inglis-Schule abschloss und mein zweites begann - indessen eine kleinwüchsige Siebtklässlerin zu einer bestürzend hoch gewachsenen Achtklässlerin heranreifte -, entwickelte sich Pleitegeier am College von einem Wissenschaftsgnom zu einem }ohn-Lennon-Double.
    Er kaufte sich ein Motorrad. Er begann zu meditieren. Er behauptete, 2001: Odyssee im Weltraum zu verstehen, sogar den Schluss. Aber erst als Pleitegeier in den Keller ging, um mit Mil-ton Pingpong zu spielen, begriff ich, was hinter alldem stand. Wir hatten die Tischtennisplatte schon jahrelang gehabt, doch so sehr mein Bruder und ich auch trainiert

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