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Middlesex

Middlesex

Titel: Middlesex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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schindelverkleideten Steinhaus mit einer Wetterfahne. Auf dem Kies stand ein unansehnlicher Ford. Ich fühlte mich in dem zweitbesten Cadillac befangen und stieg, meine Mutter fortwünschend, schnell aus.
    Als ich klingelte, öffnete mir Beulah. Sie führte mich zur Treppe und zeigte hinauf. Weiter nichts. Ich ging in den ersten Stock. Noch nie war ich im Obergeschoss dieses Hauses gewesen. Es war unordentlicher als bei uns, der Teppichboden alles andere als neu. Die Decke hatte jahrelang keinen neuen Anstrich gesehen. Die Möbel dagegen waren beeindruckend alt und schwer und sandten Signale von sicherem Geschmack und Beständigkeit aus.
    Beim vierten Anlauf fand ich das Zimmer des Objekts. Die Jalousien waren heruntergelassen. Über den ganzen zotteligen Teppichboden lagen Kleidungsstücke verstreut, die ich durchwaten musste, um zum Bett zu gelangen. Da aber lag sie, im Schlaf, in einem Lester-Lanin-T-Shirt. Ich rief ihren Namen. Ich rüttelte sie. Endlich setzte sie sich, blinzelnd, auf.
    »Ich seh bestimmt scheiße aus«, sagte sie nach einer Weile. Ich sagte nicht, ob das stimmte oder nicht. Es stärkte meine Position, sie darüber im Zweifel zu lassen.
    Wir frühstückten in der Frühstücksnische. Beulah bediente uns ohne viel Aufhebens, brachte Teller, nahm sie weg. Sie trug eine echte Hausmädchenuniform, schwarz mit weißer Schürze. Ihre Brille kündete von ihrem anderen, eleganteren Leben. Über das linke Glas ringelte sich in Goldschrift ihr Name.
    Mrs. Objekt kam herein, auf moderaten Absätzen klackernd:
    »Guten Morgen, Beulah. Ich gehe jetzt zum Tierarzt. Sheba bekommt einen Zahn gezogen. Danach bringe ich sie zurück, gehe zum Lunch aber wieder weg. Es hieß, sie wird ein bisschen duselig sein. Ach - und heute kommen die Männer mit den Stores. Lassen Sie sie herein und geben Sie ihnen den Scheck, der auf dem Tisch im Flur liegt. Hallo, ihr beiden! Habe euch gar nicht gesehen. Offenbar hast du einen guten Einfluss, Callie. Halb zehn, und schon auf?« Sie zerwuschelte dem Objekt die Haare. »Bist du heute den Tag über im Little Club, Schatz? Schön. Dein Vater und ich gehen heute Abend mit den Peters' aus. Beulah stellt dir was in den Kühlschrank. Macht's gut allerseits!«
    Während dieser ganzen Zeit hatte Beulah Gläser gespült, sich an ihre Strategie gehalten. Grosse Pointe mit ihrem Schweigen bedacht.
    Das Objekt drehte die Tischmenage. Französische Konfitüren, englische Orangenmarmeladen, eine unsaubere Butterdose, Ketchupflaschen und Lea & Perrins-Sauce kreiselten vorbei, bevor das Objekt am Ziel war: ein Anstaltsglas Rolaids. Sie schüttelte drei Tabletten heraus.
    »Was ist Sodbrennen überhaupt?« sagte ich.
    »Du hast noch nie Sodbrennen gehabt?«, fragte das Objekt verblüfft.
    Der Little Club war nur ein Spitzname. Offiziell trug der Verein den Namen Grosse Pointe Club. Obwohl das Grundstück an den See grenzte, gab es keine Anlegestelle und keine Boote, nur ein Klubhaus im Landhausstil, zwei Paddletennisplätze und einen Swimmingpool. An diesem Pool lagen wir im Juni und Juli jeden Tag.
    Bei Badekleidung bevorzugte das Objekt Bikinis. Sie sah gut darin aus, aber keineswegs perfekt. Wie ihre Schenkel waren auch ihre Hüften eher von der üppigen Sorte. Sie behauptete, mich um meine dünnen, langen Beine zu beneiden, aber das war nur nett gemeint. An jenem ersten Tag und an allen folgenden erschien Calliope am Pool in einem altmodischen Einteiler mit Röckchen. Er hatte in den fünfziger Jahren Sourmelina gehört. In einem alten Koffer hatte ich ihn entdeckt. Erklärtermaßen wollte ich darin schrill aussehen, aber ich war dankbar für die volle Deckung. Zusätzlich legte ich mir ein Strandtuch um den Hals oder trug über dem Badeanzug ein Alligatorhemd. Ein weiterer Pluspunkt war das Oberteil. Die Körbchen waren gummiert und spitz und verliehen mir unter Handtuch oder Hemd den Anschein eines Busens, den ich nicht besaß.
    Weiter hinten, im Pool, schoben pelikanbäuchige Frauen mit Bademütze Schwimmbretter hin und her. Ihre Badeanzüge waren meinem ganz ähnlich. Im Flachen wateten und planschten kleine Kinder. Sommersprossigen Mädchen bietet sich eine winzige Chance, braun zu werden. Das Objekt ergriff sie. Während wir uns in jenem Sommer auf unseren Handtüchern drehten wie Spießbraten, die sich selbst begossen, wurden die Sommersprossen des Objekts dunkler, changierten von Karamel zu Braun. Die Haut dazwischen wurde ebenfalls dunkler, verband die Sommersprossen zu einer

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