Middlesex
Bock. Er war da mit der Army. So irgendwie verantwortlich für die Verwaltung von Paris nach dem Krieg. Und Mami wird ganz sauer, wenn er damit anfängt.« Sie äffte ihre Mutter nach. »›Das ist jetzt aber genug Frankophilie für einen Abend, Liebling,‹« Wie immer, wenn das Objekt schauspielerte, erhöhte sich plötzlich ihr IQ. Dann ließ sie sich auf den Bauch fallen. »Er hat auch Leute umgebracht.«
»Wirklich?«
»Ja«, sagte das Objekt und fügte erklärend hinzu: »Nazis.«
Ich stieg in das große Bett. Zu Hause hatte ich ein Kissen. Hier waren es sechs.
»Rücken reiben«, rief das Objekt fröhlich.
»Erst ich, dann du.«
»Gebongt.«
Ich setzte mich rittlings auf sie, auf den Sattel ihrer Hüften, und begann bei den Schultern. Ihre Haare waren im Weg, also strich ich sie beiseite. Wir schwiegen eine Weile, während ich rieb, dann fragte ich: »Warst du schon mal bei einem Gynäkologen?«
Das Objekt nickte in ihr Kissen.
»Wie ist das?«
»Die reinste Folter. Schrecklich.«
»Was wird da gemacht?«
»Erst muss man sich ausziehen und so einen kleinen Umhang anziehen. Der ist aus Papier, und die ganze kalte Luft kommt rein. Man bibbert. Dann muss man sich mit gespreizten Beinen auf einen Tisch legen.«
»Mit gespreizten Beinen?«
»Na klar. Man muss die Beine in so Metalldinger legen. Dann macht der Gyno eine Beckenuntersuchung, die bringt dich um.«
»Was heißt das, Beckenuntersuchung?«
»Ich dachte, du bist die Sex-Expertin.«
»Sag schon.«
»Eine Beckenuntersuchung ist, na ja, innen. Da wird so ein kleines Dingsbums reingeschoben, das dich ganz weit spreizt und so.«
»Das glaube ich nicht.«
»Es bringt dich um. Und es ist eisig. Und während der Gyno da drin rumstochert, macht er auch noch seine öden Witze. Aber das Schlimmste ist, was er mit der Hand macht.«
»Was denn?«
»Im Grunde langt er so tief rein, bis er dich an den Mandeln kitzeln kann.«
Das verschlug mir die Sprache. Lähmte mich vor Entsetzen und Furcht.
»Zu wem gehst du?«, fragte das Objekt.
»Dr. Bauer heißt der.«
»Dr. Bauer! Das ist Renees Dad. Der ist total pervers!«
»Was meinst du damit?«
»Einmal war ich bei Renee zum Schwimmen. Sie haben einen Pool. Dr. Bauer kam raus, stellte sich hin und glotzte. Dann er so: ›Deine Beine haben perfekte Proportionen. Absolut perfekte Proportionen‹ Gott, ist der pervers! Dr. Bauer. Tust mir jetzt schon Leid.«
Sie hob den Bauch, um ihr T-Shirt freizugeben. Ich massierte sie weiter unten am Rücken, griff unters Hemd, um ihr die Schulterblätter zu kneten.
Danach wurde das Objekt still. Ich ebenso. Ich lenkte mich von der Gynäkologie ab, indem ich mich in das Rückenreiben versenkte. Das fiel mir nicht schwer. Ihr honig- oder aprikosenfarbener Rücken verjüngte sich an der Taille, wie meiner es nicht tat. Hier und da waren weiße Stellen, Anti Sommersprossen. Wo ich rieb, rötete sich ihre Haut. Ich nahm das Blut wahr, das innen sickerte und floss. Ihre Unterarme waren rau wie Katzenzungen. Darunter wölbten sich die Seiten ihrer Brüste aus, von der Matratze platt gedrückt.
»Gut«, sagte ich nach einer langen Weile, »jetzt bin ich dran.« Doch an jenem Abend war es wie an allen anderen auch. Sie schlief.
Beim Objekt war ich nie dran.
Sie kehren wieder, die Tage jenes Sommers mit dem Objekt, ein jeder in eine Schneekugel eingeschlossen. Ich möchte sie wieder aufschütteln. Sehen Sie nur, wie die Flocken niederschweben:
Ein Samstagvormittag, wir liegen zusammen im Bett. Das Objekt auf dem Rücken. Ich, auf einen Ellbogen gestützt, beuge mich über sie, um ihr Gesicht zu inspizieren.
»Weißt du, was Schlaf ist?«, sage ich.
»Was?«
»Rotz.«
»Gar nicht.«
»Doch! Es ist Schleim. Rotz, der aus den Augen kommt.«
»Das ist doch eklig!«
»Du hast ein bisschen Schlaf in den Augen, meine Liebe«, sage ich mit gespielt tiefer Stimme. Mit einem Finger schnippe ich dem Objekt das Bröckchen von den Wimpern.
»Ich fass es nicht, dass ich das zulasse«, sagt sie. »Du berührst meinen Rotz.«
Wir schauen einander einen Augenblick an.
»Ich berühre deinen Rotz!«, kreische ich. Und wir wälzen uns herum, werfen mit Kissen und kreischen noch mehr.
An einem anderen Tag nimmt das Objekt ein Bad. Sie hat ihr eigenes Badezimmer. Ich liege auf dem Bett, lese eine Klatschzeitschrift.
»Man sieht gleich, dass Jane Fonda in dem Film gar nicht richtig nackt ist«, sage ich.
»Wie denn?«
»Sie hat einen Body an. Das sieht man.«
Ich gehe ins
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