Middlesex
gefleckten Harlekinsmaske. Nur ihre Nasenspitze blieb pink. Ihr Scheitel hatte einen flammenden Sonnenbrand.
Klub-Sandwiches segelten auf Tellern mit gewelltem Rand zu uns her. War uns kultiviert zumute, wählten wir den französischen Dip. Auch Milchshakes bestellten wir, genau wie Eis und Pommes frites. Für alles unterschrieb das Objekt mit dem Namen ihres Vaters. Sie redete von Petoskey, wo ihre Familie ein Sommerhaus hatte. »Da gehen wir im August hin. Vielleicht kannst du ja kommen.«
»Wir fahren in die Türkei«, sagte ich niedergeschlagen.
»Ja, richtig. Hatte ich vergessen.« Und dann: »Warum müsst ihr eine Kirche streichen?«
»Das hat mein Vater mal versprochen.«
»Wie das?«
Hinter uns spielten Ehepaare Paddletennis. Auf dem Dach des Klubhauses flatterten Wimpel. War das der rechte Ort, um vom heiligen Christophorus zu sprechen? Von den Kriegsgeschichten meines Vaters? Dem Aberglauben meiner Großmutter?
»Weißt du, woran ich ständig denke?«, sagte ich.
»Woran?«
»Ich denke ständig an Maxine. Ich kann gar nicht fassen, dass sie tot ist.«
»Stimmt. Ist gar nicht, als wäre sie wirklich tot. Sondern als hätte ich es geträumt.«
»Dass es wahr ist, wissen wir nur, weil wir es beide geträumt haben. Das nämlich ist die Wirklichkeit. Ein Traum, den alle gemeinsam haben.«
»Das ist aber tiefsinnig«, sagte das Objekt. Ich knallte ihr eine.
»Aua!«
»Das hast du davon.«
Unser Kokosöl lockte Mücken an. Wir erschlugen sie gnadenlos. Das Objekt arbeitete sich langsam und schockiert durch Die einsame Frau von Harold Robbins. Alle paar Seiten schüttelte sie den Kopf und erklärte: »Dieses Buch ist ja sooo verdorben.« Ich las Oliver Twist, eines der Bücher auf unserer Sommerleseliste.
Auf einmal verschwand die Sonne. Ein Wassertropfen schlug auf meine Buchseite. Das war aber nichts verglichen mit der Kaskade, die auf das obskure Objekt herabregnete. Ein älterer Junge hatte sich über sie gebeugt und schüttelte seinen nassen Haarschopf.
»Verdammt«, sagte sie, »lass das!«
»Was hast du denn? Ich kühl dich doch bloß ab.«
»Hör auf damit.«
Er richtete sich auf. Seine Badehose war ihm über seine dürren Hüftknochen gerutscht, was einen Ameisenpfad Haare von seinem Nabel abwärts entblößte. Der Ameisenpfad war rot. Aber die Haare auf seinem Kopf waren pechschwarz.
»Wer ist das neueste Opfer deiner Gastfreundschaft?«, fragte der Junge.
»Das ist Callie«, sagte das Objekt. Dann zu mir: »Das ist mein Bruder. Jerome.«
Die Ähnlichkeit war deutlich. Jeromes Gesicht zeigte dieselbe Farbenskala (hauptsächlich Orangetöne und Hellblau), aber das Gesamtbild hatte etwas Grobes, um die Nase Knolliges, die Augen schielten ein bisschen, Nadelstiche Licht. Anfangs irritierte mich das dunkle, glanzlose Haar, aber ich erkannte bald, dass es gefärbt war.
»Du bist doch die aus dem Stück, oder?«
»Ja.«
Jerome nickte. Mit blitzenden Schlitzaugen sagte er: »Thes pisjüngerin, wie? Genau wie du. Stimmt's, Schwesterchen?«
»Mein Bruder hat jede Menge Probleme«, sagte das Objekt.
»He, wo ihr Mädels doch nun am The-a-ta seid, vielleicht wollt ihr ja in meinem nächsten Film mitmachen.« Er sah mich an.
»Ich drehe einen Vampirfilm. Du gäbst eine tolle Vampirin ab.«
»Tatsächlich?«
»Zeig mal deine Zähne.«
Den Gefallen tat ich ihm nicht; ich hatte den Wink des Objekts, nicht allzu nett zu sein, verstanden.
»Jerome steht auf Monsterfilme«, sagte sie.
»Horrorfilme«, verbesserte er sie, weiterhin an mich gerichtet.
»Nicht Monsterfilme. Wie immer setzt meine Schwester mein erwähltes Medium herab. Willst du den Titel wissen?«
»Nein«, sagte das Objekt.
»Vampire im Internat. Er handelt von einem Vampir, gespielt von moi, der aufs Internat geschickt wird, weil seine wohlhabenden, aber furchtbar unglücklichen Eltern sich scheiden lassen. Jedenfalls geht es ihm dort nicht besonders gut. Er trägt nicht die richtigen Klamotten. Er hat nicht die richtige Frisur. Aber eines Tages macht er nach einer Sauferei einen Spaziergang über den Campus und wird von einem Vampir angegriffen. Und - das ist der Hammer - der Vampir raucht eine Pfeife. Er trägt Harris-Tweed. Es ist der beschissene Direktor, Mensch! Am nächsten Morgen wacht unser Held dann auf und geht sofort los und kauft sich einen blauen Blazer und Topsider, und - presto - ist er der totale Schnösel!«
»Verziehst du dich mal, du stehst in der Sonne.«
»Das ist eine Metapher für die
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