Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Middlesex

Middlesex

Titel: Middlesex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
Vom Netzwerk:
sagte Bob Presto dann: »Bitte einen kräftigen Applaus für Hermaphroditos, meine Damen und Herren! Nur hier im Octopussy's Garden, hier ist das Geschlecht bezecht, hier ist der Sex komplex. Ich sage Ihnen, Damen und Herren, hier macht der Hummer seine Nummer, hier stürzt sich der Tümmler ins Getümmel...«
    Wie gestrandet lag Zora, blaue Augen, goldene Haare, auf der Seite und fragte mich: »Ist der Reißverschluss zu?«
    Ich sah nach.
    »Von diesem Becken krieg ich den totalen Blutstau. Immer staut es sich so.«
    »Willst du was von der Bar?«
    »Bring mir doch ein Negroni, Cal. Danke.«
    »Meine Damen und Herren, es wird Zeit für unsere nächste Attraktion hier im Octopussy's Garden. Ja, ich sehe gerade, wie die Jungs vom Steinhardt Aquarium sie reinbringen. Schnell die Marken in die Schlitze, meine Damen und Herren, gleich kommt etwas, was Sie nicht versäumen dürfen. Bitte einen Tusch! Das heißt, vielleicht eher ein Sushi.«
    Zoras Musik erklang. Ihre Ouvertüre.
    »Meine Damen und Herren, seit unvordenklichen Zeiten erzählen Seefahrer Geschichten von unglaublichen Wesen, halb Frau, halb Fisch, die im Meer schwimmen. Wir hier im Sixty-Niners haben solchen Geschichten nie Glauben geschenkt. Aber neulich hat uns ein Thunfischfänger, ein guter Bekannter von uns, einen erstaunlichen Fang gebracht. Und jetzt wissen wir, dass diese Geschichten wahr sind. Meine Damen und Herren«, jodelte Bob Presto, »riecht... hier... jemand... Fisch?«
    Auf dieses Stichwort hin sprang Zora in ihrem Gummianzug mit den blitzenden grünen Paillettenschuppen ins Bassin. Der Anzug ging ihr bis zur Hüfte und ließ Brust und Schultern frei. Zora tauchte in das Wasserlicht hinab, anders als ich mit offenen Augen, lächelte den Männern und Frauen in den Kabinen zu, und ihre langen blonden Haare wogten ihr hinterher wie Seetang, winzige Luftbläschen saßen auf ihren Brüsten wie Perlen, während sie mit ihrem schimmernden smaragdgrünen Fischschwanz wedelte. Sie gab sich nicht lüstern. Zoras Schönheit war so groß, dass jeder glücklich war, sie einfach nur anzusehen, die weiße Haut, die wunderschönen Brüste, den straffen Bauch mit seinem zwinkernden Nabel, den großartigen Schwung ihres Gesäßes, wo das Fleisch mit den Schuppen verschmolz. Sie schwamm, die Arme seitlich am Körper, mit sinnlichen Stößen. Ihre Gesichtszüge waren heiter, die Augen ein karibisches Hellblau. Unten wummerte unablässig ein Discorhythmus, hier oben im Octopussy's Garden aber war die Musik ätherisch, fast ein melodisches Sprudeln.
    Unter einem bestimmten Aspekt betrachtet, eignete dem Ganzen sogar etwas Künstlerisches. Das Sixty-Niners war ein Bumslokal, doch im Garden war die Atmosphäre weniger zotig als exotisch. Er war die sexuelle Entsprechung zum Trader Vic's. Die Zuschauer bekamen sonderbare Dinge zu sehen, ungewöhnliche Körper, aber ein Großteil des Reizes lag in der Art der Darbietung. Wenn die Kunden durch die Bullaugen blickten, sahen sie reale Körper, die das taten, was Körper manchmal im Traum vollführten. Es fanden sich männliche Gäste ein, verheiratete heterosexuelle Männer, die zuweilen davon träumten, mit einer Frau zu schlafen, die einen Penis hatte, keinen männlichen Penis, sondern einen dünnen, sich verjüngenden feminisierten Stängel, ähnlich dem Staubfaden einer Blume, eine Klitoris, die sich von überbordendem Begehren ungeheuer verlängert hatte. Es fanden sich Schwule ein, die von Jungen träumten, die beinahe weiblich waren, mit glatter Haut und unbehaart. Oder lesbische Kundinnen, die von Frauen mit einem Penis träumten, keinem männlichen Penis, sondern einer weiblichen Erektion, an deren Sinnlichkeit und Lebendigkeit kein Dildo heranreichte. Unmöglich zu sagen, wie hoch der Anteil der Bevölkerung ist, der von solchen sexuellen Wandlungen träumt. Aber jeden Abend strömten sie in unseren Unterwassergarten und füllten die Kabinen, um uns zuzusehen.
    Nach Melanie der Meerjungfrau kam Ellie mit ihrem elektrisierenden Aal. Dieser Aal war zunächst nicht zu sehen. Was da, angetan mit einem Bikini aus Wasserlilien, durch die aquamarin-farbenen Tiefen planschte, schien ein schlankes hawaiianisches Mädchen zu sein. Beim Schwimmen löste sich das Oberteil, und noch immer war sie ein Mädchen. Aber wenn sie in ihrem anmutigen Wasserballett kopfüber schwebte und sich das Unterteil auf die Knie schob - ja, dann hatte der Aal seinen schockierenden Auftritt. Denn an dem schlanken Mädchenkörper, da, wo er

Weitere Kostenlose Bücher