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Middlesex

Middlesex

Titel: Middlesex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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Kanada.
    »Warum halten wir?«
    »Wart's ab.«
    Zizmo schaltet die Scheinwerfer dreimal an und aus. Er steigt aus dem Auto. Lefty auch. Sie stehen in der Finsternis, um sie herum Flussgeräusche, klatschende Wellen, Frachter mit tutendem Nebelhorn. Dann ein weiteres Geräusch: ein fernes Brummen. »Hast du ein Büro?«, fragt mein Großvater. »Ein Lagerhaus?« »Das ist mein Büro.« Zizmo schwenkt die Hände durch die Luft. Er zeigt auf den Packard. »Und das ist mein Lagerhaus.« Das Brummen wird lauter; Lefty schaut angestrengt in den Nebel. »Ich hab mal bei der Bahn gearbeitet.« Zizmo zieht eine getrocknete Aprikose aus der Tasche und isst sie. »Drüben in Utah. Hab mich kaputtgemacht dabei. Dann bin ich schlau geworden.« Schon hat das Brummen sie fast erreicht; Zizmo öffnet den Kofferraum. Und nun taucht aus dem Nebel ein Außenborder auf, ein schnittiges Ding, in dem zwei Männer sitzen. Als das Boot ins Schilf gleitet, stellen sie den Motor ab. Zizmo übergibt einem der Männer einen Umschlag. Der andere schlägt eine Persenning überm Heck zur Seite. Im Mondschein, säuberlich gestapelt, schimmern zwölf Holzkisten.
    »Jetzt hab ich meine eigene Eisenbahn«, sagt Zizmo.
    »Abladen.«
    So wurde das Wesen von Jimmy Zizmos Importgeschäft enthüllt. Er handelte nicht mit getrockneten Aprikosen aus Syrien, nicht mit Halva aus der Türkei oder Honig aus dem Libanon. Er importierte Hiram Walker's Whiskey aus Ontario, Bier aus Quebec und Rum aus Barbados über den St.-Lorenz- Strom. Selbst abstinent, verdiente er sich seinen Lebensunter halt mit dem Kauf und Verkauf von Spirituosen. »Wenn diese Amerikani alle Säufer sind, was kann ich dafür?«, rechtfertigte er sich, als sie Minuten später wieder fortführen.
    »Das hättest du mir sagen müssen!«, brüllte Lefty außer sich.
    »Wenn sie uns schnappen, kriege ich meine Staatsbürgerschaft nicht. Dann schicken sie mich nach Griechenland zurück.«
    »Was bleibt dir schon übrig? Hast du etwa eine bessere Arbeit? Und vergiss nicht, du und ich, wir kriegen Kinder.«
    So begann das kriminelle Leben meines Großvaters. Wäh rend der folgenden acht Monate arbeitete er in Zizmos Rum schmuggelbetrieb, bequemte sich in dessen ausgefallene Arbeitszeiten, stand mitten in der Nacht auf, aß im Morgengrauen zu Abend. Er übernahm den Slang des illegalen Gewerbes, vervierfachte sein englisches Vokabular. Er lernte, den Schnaps »Sprit«, »Bingo«, »Eichhörnchenschweiß« und »Affenplörre« zu nennen. Trinkeinrichtungen bezeichnete er als »Saufstellen«, »Hundehütten«, »Rumlöcher« und »Humpen«. Er lernte, wo es in der Stadt getarnte Kneipen gab, Bestattungsinstitute, in denen Leichen nicht mit Balsamier flüssigkeit, sondern mit Gin gefüllt wurden, Kirchen, die noch etwas anderes als Messwein ausschenkten, und die Frisiersalons, deren Kammbecher kein Desinfektionsmittel, sondern »blue ruin« enthielten. Lefty wurde mit dem Uferstreifen des Detroit River vertraut, seinen geschützten Buchten und geheimen Anlegeplätzen. Die Außenborder der Polizeiboote konnte er auf einen halben Kilometer Entfernung identifizieren. Rumschmuggel war ein kniffliges Geschäft. Die großen Transaktionen teilten sich die Purple Gang und die Mafia. In ihrer Gutmütigkeit duldeten sie ein gewisses Maß an Amateurschmuggelei - die Tagesausflüge nach Kanada, die Fischerboote, die zu einer Nachtfahrt ausliefen. Frauen betraten die Fähre nach Windsor mit Vierliterflaschen unterm Kleid. Solange dieses Kleingewerbe nicht das Hauptgeschäft tangierte, ließen die Banden es zu. Zizmo aber überstieg das Limit bei weitem.
    Fünf-, sechsmal die Woche fuhren sie los. Der Kofferraum des Packard fasste vier Kisten Schnaps, die geräumige, verhängte Rückbank weitere acht. Zizmo scherte sich weder um Regeln noch um Territorien. »Kaum haben sie für die Prohibition gestimmt, bin ich in die Bibliothek und hab mir eine Landkarte angesehen«, sagte er als Erklärung dafür, wie er in dem Geschäft gelandet war. »Und da waren sie, Kanada und Michigan, fast auf Kussnähe. Also hab ich mir eine Fahrkarte nach Detroit gekauft.
    Als ich ankam, war ich pleite. Ich bin zu einem Heiratsvermittler in Greektown. Warum ich Lina dieses Auto fahren lasse? Sie hat es bezahlt.« Er lächelte zufrieden, spann den Gedanken aber weiter, und sein Gesicht verdüsterte sich.
    »Natürlich billige ich es nicht, dass Frauen fahren. Und jetzt dürfen sie auch noch wählen!« Er grummelte vor sich hin.
    »Erinnerst

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