Midkemia Saga 01 - Der Lehrling des Magiers
gelehrt hat, wie zum Beispiel einen Gegenstand sich bewegen zu lassen oder mich selbst vom Boden abzuheben, dann kommen diese Dinge in meinem Kopf zum Vorschein, beeinflussen meine Konzentration, und ich verliere die Kontrolle darüber. Nicht einmal den einfachsten Zauberspruch beherrsche ich.« Pug spürte, wie er zitterte, denn dies war das erste Mal, daß er davon zu jemand anderem als Kulgan sprechen konnte. »Kulgan sagt bloß immer, ich soll dabei bleiben und mir keine Sorgen machen.« Den Tränen nahe fuhr er fort:
»Ich habe Talent. Kulgan sagt, er hätte es vom ersten Augenblick angewußt damals, als wir uns trafen, und ich die Kristallkugel benutzte. Ihr habt mir auch gesagt, daß ich Talent habe. Aber ich kann die Zaubersprüche einfach nicht so arbeiten lassen, wie sie sollen. Das alles verwirrt mich so.«
»Pug., beruhigte ihn der Priester, »die Magie hat viele Eigenheiten, und wir verstehen nur wenig davon, wie sie arbeitet Selbst diejenigen unter uns, die sie ausüben, begreifen sie nicht. In den Tempeln lehrt man uns, daß Magie eine Gabe der Götter ist, und in unserem Glauben nehmen wir dies hin. Wir verstehen nicht, wie das so sein kann, aber wir stellen keine Fragen, jeder Orden hat seine eigene Art von Magie, und nicht einmal zwei sind sich völlig gleich. Ich bin zu magischen Dingen fähig, die Anhänger anderer Orden nicht vollbringen können. Aber niemand kann sagen, weshalb das so ist.
Magier haben es mit einer anderen Art von Magie zu tun, und ihre Praxis unterscheidet sich von unseren Bräuchen in den Tempeln. Vieles von dem, was sie tun, vermögen wir nicht zu tun. Sie sind es, die die Kunst der Magie, ihre Natur und ihr Wirken, erforschen und studieren, aber selbst sie können nicht erklären, wieso sie wirkt. Sie wissen nur, wie sie mit der Magie arbeiten können, und dieses Wissen geben sie an ihre Schüler weiter, so wie Kulgan es mit dir tut.«
»Versucht zu tun, Pater. Ich glaube, er hat mich vielleicht falsch beurteilt.«
»Ich glaube es nicht, Pug. Ich verstehe einiges von diesen Dingen, und seit du Kulgans Schüler geworden bist, habe ich gefühlt, wie die Kraft in dir gewachsen ist. Vielleicht wirst du es erst spät lernen, wie schon andere vor dir, aber ich bin sicher, du findest den rechten Pfad.«
Pug war nicht getröstet. Er zweifelte nicht an der Weisheit des Priesters, aber er fühlte, daß auch dieser sich irren konnte. »Ich hoffe. Ihr habt recht, Pater.
Ich verstehe einfach nicht, was nicht mit mir in Ordnung ist.«
»Ich glaube, ich weiß es«, ertönte eine Stimme von der Tür her. Überrascht wandten sich Pug und Pater Tully um und sahen Kulgan in der Tür stehen.
Seine blauen Augen waren von tiefen Sorgenfalten umgeben, und seine dichten grauen Brauen bildeten ein V über seiner Nase. Weder Pug noch Tully hatten gehört, wie die Tür geöffnet wurde. Kulgan raffte seine lange, grüne Robe und trat ein, wobei er die Tür offen ließ.
»Komm einmal her, Pug«, forderte der Magier ihn mit einer leichten Handbewegung auf. Pug trat zu ihm, und der alte Mann legte beide Hände auf seine Schultern. »Knaben, die Tag für Tag in ihren Stuben sitzen und sich den Kopf darüber zerbrechen, warum die Dinge nicht so laufen, wie sie sollen, werden auch nicht dafür sorgen, daß sie richtig laufen. Ich schenke dir diesen Tag für dich selbst. Da es Sechstag ist, sollten eigentlich genügend andere Knaben draußen sein, die dir bei all dem Ärger behilflich sein können, den junge Männer so haben.«
Er lächelte, und sein Schüler war von Erleichterung erfüllt. »Du brauchst eine Pause von deinen Studien. Nun lauf!« Bei diesen Worten versetzte er dem Jungen eine spielerische Ohrfeige, und Pug rannte die Treppe hinunter.
Kulgan schritt zum Strohlager hinüber, ließ seine schwere Gestalt darauf fallen und schaute den Priester an. »Knaben«, meinte er kopfschüttelnd. »Da gibt man ein Fest, teilt ihnen ein Handwerk zu, und schon glauben sie, Männer zu sein. Aber sie sind immer noch Knaben, und so sehr sie sich auch bemühen, handeln sie doch auch immer noch so und nicht wie Männer.«
Er zog seine Pfeife hervor und fing an, sie zu füllen. »Magier gelten mit dreißig Jahren als jung und unerfahren. Aber in allen anderen Gilden ist ein Mann mit dreißig Geselle oder Meister und bereitet höchstwahrscheinlich bereits seinen eigenen Sohn auf die Auswahl vor.« Er hielt einen Fidibus an die Kohlen, die noch immer in Pugs Feuertopf glühten, und zündete seine Pfeife
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