Midkemia Saga 01 - Der Lehrling des Magiers
jedoch zu schmerzhaft, um sie zu beenden.
Sein linkes Auge war vollständig zu und sein rechtes nur halb geöffnet. Große, bläuliche Beulen zierten sein Gesicht. Sein Kiefer knirschte, wenn er ihn von einer Seite auf die andere bewegte.
Die Tür zum Raum des Jungen schwang auf, und Kulgan trat ein. Einen Moment blieb er stehen, um den Jungen zu betrachten, ehe er sich auf dessen Schlafstatt setzte. »Wie ich sehe, hast du den gestrigen Tag nicht damit verbracht, faul herumzusitzen.«
»Ich hatte ein bißchen Ärger, mein Herr.«
»Nun, Kampf ist eine Eigenart der Knaben wie auch der erwachsenen Männer. Ich hoffe nur, daß die anderen mindestens ebenso schlimm aussehen.
Es wäre eine Schande, wenn man nicht auch das Vergnügen des Gebens gehabt hätte.«
»Ihr macht Euch über mich lustig.«
»Nur ein bißchen, Pug. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: In meiner eigenen Jugend habe ich selbst meinen Teil an Kratzern eingesteckt, aber die Zeit für jungenhafte Kämpfe ist nun vorbei. Du mußt deine Energie für Besseres einsetzen.«
»Ich weiß, Kulgan, aber ich war in letzter Zeit so niedergeschlagen, daß ich einfach an dem Kampf teilnahm, als er losging.«
»Gut, daß du deine eigene Rolle dabei erkennst. Das ist ein Zeichen dafür, daß du ein Mann wirst. Die meisten Knaben hätten versucht, sich zu rechtfertigen, indem sie die Schuld jemand anderem gegeben hätten.«
Pug zog den Hocker heran und setzte sich dem Magier gegenüber. Kulgan zog seine Pfeife hervor und stopfte sie. »Pug, ich glaube, wir sind in deinem Fall falsch an die Ausbildung herangegangen.« Kulgan suchte in dem kleinen Feuer, das in einem Nachttopf brannte, nach einem Fidibus, um seine Pfeife anzuzünden. Als er keinen fand, umwölkte sich sein Gesicht einen Augenblick lang vor Konzentration. Dann entsprang seinem rechten Zeigefinger eine kleine Flamme. Nachdem er sie an seine Pfeife gehalten hatte, war bald der halbe Raum mit großen Wolken aus weißem Rauch gefüllt. Er wedelte mit der Hand, und die Flamme verschwand. »Eine praktische Gabe, wenn man gerne Pfeife raucht.«
»Ich würde alles darum geben, wenigstens so viel zu können«, seufzte Pug.
»Wie ich schon sagte, ich glaube, wir haben die Sache vielleicht falsch angepackt. Vielleicht sollten wir uns überlegen, wie wir deine Ausbildung auf andere Weise angehen können.«
»Wie meint Ihr das?«
»Pug, die ersten Magier vor langer Zeit hatten keine Lehrer, die ihnen die Kunst der Magie zeigten. Sie entwickelten die Fähigkeiten, die wir heute lernen. Einige der alten Fertigkeiten, wie das Riechen eines Wetterwechsels oder die Gabe, mit Hilfe eines Stockes Wasser zu finden, gehen auf die frühesten Anfänge zurück. Ich habe überlegt, daß ich dich einfach eine Zeitlang deinen eigenen Mitteln überlasse. Studiere, was du möchtest in den Büchern, die ich habe. Erledige weiterhin deine übrige Arbeit, lerne die Kunst des Schreibens von Tully, aber für eine Weile werde ich dich nicht mit meinen Lektionen belästigen. Selbstverständlich bin ich jederzeit bereit, dir deine Fragen zu beantworten. Aber ich glaube, im Augenblick mußt du erst einmal zu dir selbst finden.«
Niedergeschlagen fragte Pug: »Ist mir nicht zu helfen?« Kulgan lächelte beruhigend. »Im Gegenteil. Es gab schon öfter Fälle, da fingen Magier ganz langsam an. Vergiß nicht, daß deine Lehrzeit noch neun weitere Jahre dauert.
Laß dich nicht von den Fehlschlägen der ersten paar Monate entmutigen.
Übrigens - würdest du gerne reiten lernen?« Pugs Laune verbesserte sich schlagartig, und er schrie auf; »Oh ja: Darf ich?«
»Der Herzog hat beschlossen, daß er es gerne sehen würde, wenn von Zeit zu Zeit ein Knabe mit der Prinzessin ausreiten würde. Seine Söhne haben jetzt, da sie erwachsen sind, viele Pflichten. Er glaubt, daß du eine gute Wahl wärest, wenn sie zu beschäftigt sind, um sie zu begleiten.«
In Pugs Kopf wirbelte es. Er sollte nicht nur Reiten lernen, was sonst dem Adel vorbehalten blieb, sondern auch noch in der Gesellschaft der Prinzessin sein dürfen! »Wann fange ich an?«
»Heute noch. Lauf zu Pferdemeister Algon. Er wird mit deinem Unterricht anfangen.«
Ohne ein weiteres Wort sprang Pug auf und raste zu den Ställen hinüber.
Angriff
Pug ritt schweigend.
Sein Pferd trottete die schroffen Klippen entlang, von denen aus man das Meer überblicken konnte. Die warme Brise brachte einen Duft von Blumen mit sich, und im Osten wiegten sich sanft die Bäume des Waldes.
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