Midkemia Saga 01 - Der Lehrling des Magiers
weiß, daß es hoffnungslos wäre, zu kämpfen. All seine Energie richtete sich auf seine Flucht. Er würde mit allen Mitteln versuchen, die Kreatur abzuhängen.
Er schlüpfte in einen Seitengang, hastete ihn entlang und vergewisserte sich nur kurz, ob das Gespenst ihm folgte. Die glühenden, roten Augen erschienen am Eingang des Tunnels, in den er hineingegangen war. Die Entfernung bis zu ihnen schien sich vergrößert zu haben. Es kam ihm in den Sinn, daß viele durch die Hände des Wesens gestorben waren, weil sie zu entsetzt waren, um laufen zu können. Die Stärke des Gespenstes lag in dem betäubenden Entsetzen, das es hervorrief.
Noch ein Gang und noch eine Biegung. Noch immer folgte ihm das Gespenst.
Vor ihm lag eine große Höhle, und Tomas stellte fest, daß es dieselbe Höhe war, in der das Gespenst die Gruppe angegriffen hatte. Er war im Kreis gelaufen und kam jetzt durch einen anderen Tunnel. Als er über den Boden raste, sah er die Leichen von Maultieren und Soldaten, die in seinem Weg lagen. Er blieb lange genug stehen, um eine neue Fackel aufzuheben, denn seine war fast verbraucht, und er zündete sie an der alten an.
Er drehte sich um, um zu sehen, daß die untote Kreatur sich ihm näherte.
Weiter lief er. Hoffnung flackerte in ihm auf. Wenn er den richtigen Gang einschlagen könnte, würde er die anderen vielleicht noch einholen. Dolgan hatte gesagt, daß es von dieser Höhle an ein ganz gerader Weg bis zur Oberfläche wäre. Er wählte den Gang, den er für den richtigen hielt, aber er hatte die Orientierung verloren und war sich nicht sicher.
Das Gespenst stieß ein wütendes Geheul aus, als ihm seine Beute erneut entwischte, und es folgte ihm. Tomas fühlte Entsetzen in sich aufsteigen, als seine langen Beine ausholten und die Entfernung vor ihm auffraßen. Nie zuvor war er so gut und schnell gelaufen, aber noch nie hatte er auch einen solchen Grund gehabt.
Nach einer scheinbar endlosen Zeit des Rennens erreichte er eine Reihe von Seitentunneln, die dicht nebeneinander lagen. Seine Hoffnung erstarb, denn dies war nicht der direkte Weg, den der Zwerg erwähnt hatte. Er pickte sich irgendeinen heraus, bog in einen Gang ein und sah sich wieder mehreren Tunneln gegenüber. Er rannte noch durch verschiedene andere und bog immer wieder ab. Als er um eine Mauer kam, die sich zwischen zweien solcher Tunnel erhob, blieb er kurz stehen und schnappte nach Luft. Er lauschte einen Augenblick lang, hörte aber nur das Pochen seines eigenen Herzens. Er war zu beschäftigt gewesen, um sich umzudrehen, und War sich jetzt nicht sicher, wo sich das Gespenst befand.
Plötzlich erklang ein Kreischen der Wut einen der Gänge hinab. Es hörte sich an, als käme es aus weiter Ferne. Tomas sank auf den Boden des Tunnels, sein Körper wurde schlaff. Ein weiterer Schrei, noch ferner, und Tomas war sich sicher, daß das Gespenst seine Spur verloren hatte und sich in eine andere Richtung davonbewegte.
Erleichterung durchströmte ihn, und fast hätte er fröhlich gelacht. Doch gleich darauf wurde ihm seine Lage bewußt. Er setzte sich auf und zog Bilanz. Wenn er zu den toten Maultieren zurückfinden könnte, hätte er wenigstens zu essen und zu trinken. Aber als er aufstand, wurde ihm klar, daß er keine Ahnung hatte, in welcher Richtung die Höhle lag. Er verfluchte sich selbst, weil er nicht mitgezählt hatte, wie oft er um eine Ecke gebogen war. Er versuchte sich zu erinnern, welchem allgemeinen Muster er bei seiner Flucht gefolgt war.
Meistens war er nach rechts abgebogen, erinnerte er sich. Wenn er sich jetzt also hauptsächlich links hielt, sollte er in der Lage sein, einen der zahlreichen Tunnel zu finden, die zu der Rumpelkammer führten. Er spähte vorsichtig um die erste Ecke, machte sich dann auf und suchte seinen Weg durch das Gewirr von Gängen.
Er wußte nicht, wieviel Zeit verstrichen war, als er schließlich stehenblieb und sich umschaute. Er befand sich nun schon in der zweiten Höhle, seit er dem Gespenst entkommen war. Wie die erste war auch diese ohne Maultiere und Männer - und ohne das erhoffte Essen und Wasser. Tomas öffnete seinen Beutel und nahm den kleinen Keks heraus, den er sich aufgehoben hatte, um unterwegs daran knabbern zu können. Er half kaum gegen seinen Hunger, denn er war trocken und hart zu beißen.
Als er fertig gegessen hatte, setzte er sich wieder in Bewegung und versuchte, einen Ausgang zu finden. Er wußte, ihm blieb nicht mehr viel Zeit, bis seine Fackel verlöschen
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