Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
stumm, als wollte er abwägen, was er gehört hatte. Kasumi überreichte Lord Caldric einige Dokumente und fügte nach einiger Zeit des Schweigens hinzu: »Die Vorschläge des Kaisers werden auf diesen Papieren genauestens erklärt, Eure Majestät. Wenn Ihr sie bitte nach Belieben studieren möchtet. Ich werde warten, bis es Euch genehm ist, und erst dann aufbrechen, um Eure Antwort zu überbringen.«
Noch immer schwieg Rodric, und die in der Nähe versammelten Höflinge schauten einander nervös an. Kasumi wollte schon wieder sprechen, als der König sagte: »Es amüsiert mich immer, wenn ich meine kleinen Untertanen beobachte, wie sie durch die Stadt eilen. Wie kleine Ameisen.
Ich frage mich oft, was sie wohl denken, während sie ihr eigenes, kleines Leben leben.« Er wandte sich um, um die beiden Boten anzusehen. »Wißt ihr, ich könnte den Befehl geben, irgendeinen von ihnen zu töten. Könnte einfach von hier oben einen auswählen. Ich müßte bloß zu meinen Wachen sagen: ›Seht Ihr den Kerl mit der blauen Kappe? Geht und schlagt ihm den Kopf ab‹, und sie würden es tun, wißt Ihr. Weil ich der König bin.«
Laurie fühlte, wie ihm ein kalter Schauer den Rücken hinablief. Das war ja noch schlimmer als alles, was er sich vorgestellt hatte. Der König schien kein einziges Wort von dem gehört zu haben, was sie gesagt hatten. Leise und sehr ruhig sagte Kasumi in der Tsurani-Sprache: »Wenn wir keinen Erfolg haben, muß einer von uns meinen Vater benachrichtigen.«
Bei diesen Worten fuhr der Kopf des Königs auf. Seine Augen wurden rund und groß, und mit bebender Stimme fragte er: »Was hat das zu bedeuten?« Sein Ton wurde schrill und lauter. »Ich dulde nicht, daß jemand flüstert!« Sein Gesicht nahm einen wilden Ausdruck an. »Wißt Ihr, sie flüstern immer über mich, die Ungetreuen. Aber ich weiß, wer sie sind, und ich werde sie noch auf Knien vor mir liegen sehen. Jawohl, das werde ich. Der Verräter Kerus hat auch vor mir auf den Knien gelegen, ehe ich ihn hängen ließ. Ich hätte auch seine Familie hängen lassen, wenn sie nicht nach Kesh geflohen wäre.« Dann musterte er Kasumi. »Ihr glaubt wohl, Ihr könnt mich mit Eurer merkwürdigen Geschichte und diesen sogenannten Papieren hereinlegen. Jeder Narr würde diese Verkleidung durchschauen. Ihr seid Spione!«
Herzog Caldric schien schmerzerfüllt. Er versuchte, den König zu beruhigen. Ein paar Wachen standen in der Nähe. Sie verlagerten unruhig ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen, denn es behagte ihnen nicht, was sie da hörten.
Der König stieß den Herzog zurück. Sein Ton klang jetzt fast hysterisch. »Ihr seid Agenten dieses Verräters Borric. Er und mein Onkel haben sich verschworen, um mir den Thron zu nehmen.
Aber dem habe ich ein Ende gemacht. Mein Onkel Erland ist gestorben, im…« Er machte eine kurze Pause und war wie verwirrt. »Nein, ich meine, er ist krank. Deshalb wurde mein treuer Herzog Guy aus Bas-Tyra gesandt, um über Krondor zu herrschen, bis es meinem geliebten Onkel wieder bessergeht…« Seine Augen schienen einen Augenblick lang klar zu werden. Dann sagte er: »Ich fühle mich nicht wohl. Bitte entschuldigt mich. Ich werde morgen wieder zu Euch sprechen.« Er erhob sich. Nachdem er einen Schritt gemacht hatte, drehte er sich um und sah Laurie und Kasumi an. »Weshalb wolltet Ihr mich gleich wieder sprechen? Ach ja, Frieden. Ja, das ist gut. Dieser Krieg ist eine schreckliche Sache. Wir müssen ihn beenden. Wir müssen wieder mit dem Aufbau beginnen.«
Ein Page ergriff den Arm des Königs und führte ihn fort. Der königliche Kanzler sagte: »Folgt mir und sagt nichts.«
Er eilte mit ihnen durch den Palast und führte sie zu einem Raum, vor dessen Tür zwei Wachen standen. Einer der Männer öffnete ihnen, und sie traten ein. Innen fanden sie ein Schlafzimmer mit zwei großen Betten und einem Tisch mit Stühlen in der Ecke. Der Kanzler sagte: »Ihr kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Unser König ist, wie Ihr zweifellos bemerkt haben werdet, ein kranker Mann, und ich fürchte, er wird sich auch niemals mehr erholen. Ich hoffe, daß er morgen in der Lage ist, Eure Botschaft zu verstehen. Bitte, bleibt, wohin man Euch schickt. Zu essen wird Euch gebracht werden.«
Er trat zur Tür hinüber und erklärte noch, ehe er ging: »Also dann, bis morgen.«
Mitten in der Nacht riß ein Schrei sie aus dem Schlaf. Hastig sprang Laurie auf und ging zum Fenster. Als er durch die Vorhänge spähte, konnte er
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