Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
aufgetragen.«
Als Laurie den Namen des königlichen Kanzlers erwähnte, wechselte Lyam schnelle Blicke mit seinen Kameraden. Dann hielt er die Zeltklappe beiseite. Laurie und Kasumi traten ein, die anderen folgten. Im Zelt brannte ein kleines Kohlebecken, und auf einem großen Tisch lagen unzählige Karten. Lyam führte sie in einen anderen Teil, der durch einen Vorhang abgetrennt war. Er zog ihn zurück, und sie sahen einen Mann auf seiner Schlafstatt liegen.
Es war ein großer Mann mit dunklem, grau durchwirkten! Haar. Sein Gesicht war eingefallen, blutleer, seine Lippen fast blau. Sein Atem ging stoßweise, laut rasselnd, während er schlief. Er trug saubere Nachtkleider, aber unter dem losen Kragen konnte man schwere Verbände sehen.
Lyam ließ den Vorhang zurückfallen, als ein anderer Mann das Zelt betrat. Er war alt, hatte eine fast weiße Mähne, hielt sich aber immer noch aufrecht und hatte sehr breite Schultern. Leise sagte er: »Was gibt es?«
Lyam erwiderte: »Diese Männer bringen Nachricht für Vater, von Caldric.«
Der alte Krieger streckte die Hand aus. »Gebt sie mir.«
Als Laurie zögerte, fuhr der Mann ihn an: »Verdammt, Kerl, ich bin Brucal. Jetzt, wo Borric verwundet ist, bin ich der Kommandeur der Armeen des Westens.«
»Ich habe keine geschriebenen Nachrichten, Euer Gnaden. Herzog Caldric hat gesagt, ich soll meinen Begleiter vorstellen. Dies ist Kasumi von den Shinzawai, Abgesandter des Kaisers von Tsuranuanni, der dem König ein Friedensangebot überbringen soll.«
»Wird es also endlich Frieden geben?« meinte Lyam.
Laurie schüttelte den Kopf. »Leider nein. Der Herzog hat mir auch aufgetragen, folgendes zu sagen: Der König ist wahnsinnig, und der Herzog von Bas-Tyra hat den Prinzen Erland getötet. Er fürchtet, nur Lord Borric kann das Königreich noch retten.«
Brucal war sichtlich erschüttert von diesen Nachrichten. An Lyam gewandt, sagte er leise: »Jetzt wissen wir, daß die Gerüchte wahr waren. Erland war tatsächlich Guys Gefangener. Erland ist tot.
Ich kann es kaum glauben.« Er schüttelte sein Entsetzen ab und sagte: »Lyam, ich weiß, daß du jetzt an deinen Vater denkst, aber du mußt auch folgendes beachten: Dein Vater ist dem Tode nahe. Bald wirst du Herzog von Crydee sein. Und wenn Erland tot ist, dann wirst du damit auch der Thronerbe, so will es das Gesetz.«
Brucal ließ sich schwerfällig auf einen Stuhl neben dem Kartentisch fallen. »Das ist eine schwere Last, die dir da auferlegt wird, Lyam. Aber andere im Westen werden sich an dich als ihren Führer halten, so, wie sie sich einst an deinen Vater gehalten haben. Wenn es jemals Liebe zwischen den beiden Reichen gegeben hat, dann ist sie jetzt bis zum Zerreißen gespannt, jetzt, wo Guy auf dem Thron in Krondor sitzt. Nun können es alle klar sehen: Bas-Tyra will König werden, denn einem wahnsinnigen Rodric kann man den Thron nicht mehr lange überlassen.« Er musterte Lyam mit festem Blick. »Du wirst bald entscheiden müssen, was wir im Westen tun sollen. Dein Wort genügt, und wir haben den Bürgerkrieg.«
Entscheidung
Die Heilige Stadt war in Feststimmung.
Von allen hohen Gebäuden flatterten die Banner herab. Menschen säumten die Straßen und warfen Blumen vor die Edlen, die auf ihren Sänften zum Stadion getragen wurden. Es war ein hoher Festtag, und wer konnte an einem solchen schon Sorgen haben?
Einer, der sich allerdings Sorgen machte, traf in diesem Augenblick im Musterraum des Stadions ein. Die letzten Töne einer Glocke kündeten noch vom Erscheinen eines Erhabenen aus Tsuranuanni. Milamber schüttelte seine düstere Stimmung vorübergehend ab, als er den Musterraum verließ. Die Menge der Tsurani-Adligen, die darauf wartete, daß die Spiele begannen, teilte sich, um Milamber durch die Arkade zu den Plätzen der Magier gehen zu lassen. Er schaute sich unter den schwarzen Roben um und gewahrte Shimone und Hochopepa, die ihm einen Platz freigehalten hatten.
Sie grüßten sich, als er den Gang zwischen den Plätzen der Magier und denen der kaiserlichen Gruppe verließ und zu ihnen kam. Unten, m der Arena, kämpften ein paar vom zwergenähnlichen Volk der Tsubar – dem sogenannten Verlorenen Land jenseits des Blutigen Meeres – gegen große Insektenwesen. Sie ähnelten den Cho-Ja, waren aber ohne Verstand. Weiche Holzschwerter und im wesentlichen harmlose Bisse sorgten dafür, daß der Kampf mehr komisch als gefährlich aussah. Die einfachen Bürger und die kleinen Adligen, die schon auf
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