Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
Ihm fehlten die Worte.
Kasumi schaute ihn scharf an, ehe er sagte: »Es ist meines Vaters Wille, daß du lebst, und auch wie du lebst.« Kasumi blieb minutenlang stehen, und wieder einmal wurde Pug schmerzlich bewußt, welch riesiger Abgrund zwischen ihnen beiden klaffte. Der eine war der Sohn des mächtigsten Herrschers, und der andere sein niedrigster Besitz, ein Sklave. Die falsche Freundschaft riß, und wieder fiel Pug ein, was er schon im Sumpf gelernt hatte: Das Leben galt hier nichts, und nur das Vergnügen dieses Mannes, oder das seines Vaters, stand zwischen Pug und der Zerstörung.
Als hätte er seine Gedanken gelesen, sagte Kasumi: »Vergiß nicht, Pug, das Gesetz ist hart und sehr streng. Ein Sklave darf niemals befreit werden. Aber es gibt immer noch den Sumpf. Oder unseren Besitz hier. In unseren Augen seid ihr aus dem Königreich sehr ungeduldig.«
Pug wußte, daß Kasumi versuchte, ihm etwas zu sagen, etwas, das vielleicht für ihn wichtig war.
So offen er manchmal war, so leicht konnte Kasumi doch wieder in die Verhaltensweise der Tsuranis zurückfallen, die Pug nur als rätselhaft bezeichnen konnte. Hinter Kasumis Worten verbarg sich eine unausgesprochene Warnung, und Pug hielt es für das beste, ihn nicht zu drängen.
So wechselte er erneut das Gesprächsthema. »Wie läuft der Krieg, Kasumi?«
Kasumi seufzte. »Schlecht, für beide Seiten.« Er betrachtete den grauen Hengst. »Wir kämpfen an festen Fronten. Daran hat sich in den vergangenen drei Jahren nichts geändert. Unsere beiden letzten Offensiven wurden gestoppt, aber eure Armee hat auch keine Gewinne erzielt. Jetzt vergehen Wochen, ohne daß gekämpft wird. Dann greifen deine Landsleute eine unserer Enklaven an, und wir geben das Kompliment zurück. Dabei wird nichts erreicht, bloß Blut vergossen. All das ist mehr als sinnlos und gereicht niemandem zur Ehre.«
Pug war überrascht. Alles, was er von den Tsuranis gesehen hatte, bestärkte nur noch Meechams Beobachtung, die dieser schon vor Jahren gemacht hatte, daß nämlich die Tsuranis ein sehr kriegerisches Völkchen seien. Überall, wohin er auch blickte, hatte er Soldaten gesehen, als sie zu diesem Besitz kamen. Beide Söhne des Hauses waren bereits Soldaten, wie es auch ihr Vater in seiner Jugend gewesen war. Hokanu war Kommandeur der Wache dieses Haushalts – und nur aus Höflichkeit als Soldat angesehen –, aber eines Tages würde er ein Kommando übernehmen, wie es sein Bruder bereits getan hatte. Die Art, wie er im Sumpf mit dem Sklavenmeister umgegangen war, wies auf einen rücksichtslosen Zug in ihm hin. Er war ein Tsurani, und den Tsuranis wurde ihr Kodex schon in frühester Jugend beigebracht. Und anschließend wurde er strikt befolgt.
Kasumi spürte, daß er beobachtet wurde. »Ich fürchte, eure ausländische Art verweichlicht mich, Pug.«
Plötzlich meldete sich Pug. »Kasumi, ich möchte deinen Vater um die Erlaubnis bitten, Katala heiraten zu dürfen.«
Kasumi seufzte. »Hör mir mal gut zu, Pug. Ich habe versucht, es dir beizubringen, aber du scheinst mich nicht verstanden zu haben. Jetzt will ich ganz offen reden. Du kannst ihn fragen, aber deine Bitte wird dir abgeschlagen werden.«
Pug wollte Einwände erheben, aber Kasumi schnitt ihm das Wort ab. »Wie ich schon bemerkte, ihr seid ungeduldige Leute. Mehr kann ich nicht sagen. Aber es gibt Gründe dafür, Pug.«
Ärger flackerte in Pugs Augen auf. In der Sprache der Könige erklärte Kasumi: »Sprich ein wütendes Wort in Hörweite irgendeines Soldaten dieses Hauses, und du bist ein toter Sklave.« Er wies auf die Soldaten, die auf sie zukamen. Steif erwiderte Pug: »Wie Sie wünschen, Herr.« Als er die Bitterkeit in Pugs Gesicht bemerkte, wiederholte Kasumi leise: »Es gibt Gründe dafür, Pug.«
Einen Augenblick lang versuchte er, nicht der Tsurani-Herr zu sein, sondern ein Freund, der bemüht ist, einen Schmerz zu lindern. Ihre Blicke trafen sich, offen und ehrlich. Doch dann fiel ein Schleier über Kasumis Augen, und wieder waren sie Sklave und Herr.
Pug senkte die Augen, wie es von einem Sklaven erwartet wurde, und Kasumi sagte: »Kümmere dich um die Pferde.« Damit schlenderte er davon und ließ Pug allein zurück.
Pug sprach niemals mit Katala über seine Bitte. Sie spürte, daß da etwas war, was ihn zutiefst beunruhigte, etwas, das ihrem sonst so fröhlichen Beisammensein eine bittere Note verlieh. Er erkannte die Tiefe seiner Liebe zu ihr und fing an, ihre komplexe Natur zu
Weitere Kostenlose Bücher