Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
beschützende Magie beiseite zu schieben, so, wie Ihr einen lästigen Zweig beiseite drücken würdet, der Euch den Weg versperrt. Aber er ist nicht als einer der Alten geboren. Seine Natur ist den Valheru ebenso fremd, wie die ihre es allen anderen war. Mit der Hilfe unserer Bannweber könnte seine menschliche Fähigkeit, zu lieben, Mitleid zu empfinden, zu verstehen, die ungezügelte Macht der Valheru bremsen. In diesem Fall könnte er sich… als Segen für uns alle erweisen.« Dolgan war überzeugt, daß die Königin etwas anderes hatte sagen wollen. Er schwieg aber, als sie fortfuhr: »Sollte diese Macht der Valheru jedoch mit der menschlichen Fähigkeit zu Haß, Gewalt und Grausamkeit verbunden werden, dann wäre er etwas, das wir zu fürchten hätten. Doch wir müssen abwarten. Nur dann können wir sehen, was aus ihm wird.«
»Die Drachenherrscher…« murmelte Dolgan. »In unseren Sagen werden sie erwähnt, aber nur vereinzelt, in Bruchstücken. Ich würde gern mehr über sie erfahren, wenn Ihr es gestattet.«
Der Blick der Königin schweifte in die Ferne. »Unsere Geschichten, die ältesten der heutigen Welt, berichten von den Valheru, Dolgan. Es gibt vieles, über das zu reden mir verboten ist, mächtige Namen, die ich nicht anrufen darf, Dinge so schrecklich, daß ich mich nicht daran erinnern mag. Aber so viel kann ich dir doch erzählen: Lange schon, ehe der Mensch oder der Zwerg auf diese Erde kam, herrschten hier die Valheru. Sie waren Teil dieser Welt und aus demselben Material geformt, aus dem auch sie geschaffen wurde. Ihre Macht war der der Götter gleich, ihr Ziel unergründlich. Ihr Wesen war chaotisch und nicht vorhersehbar. Sie waren mächtiger als alle anderen. Auf den Rücken ihrer großen Drachen flogen sie dahin. Kein Ort in diesem Universum war für sie unerreichbar. Sie begaben sich auch zu anderen Welten und brachten mit, was ihnen dort gefiel: Schätze und Wissen, das sie anderen Wesen genommen hauen. Sie waren keinem anderen Gesetz als ihrem eigenen Willen und ihren eigenen Launen unterworfen. Sie kämpften ebenso häufig miteinander, wie sie sich ruhig verhielten, und nur der Tod konnte Konflikte zwischen ihnen lösen. Diese Welt hier war ihr Reich. Und wir waren ihr Volk, ihre Untertanen.
Damals gehörten wir und die Moredhel einer Rasse an, und die Valheru züchteten uns, wie Ihr das mit dem Vieh tun würdet. Einige aus beiden Rassen wurden auserwählt… als persönliche
›Lieblinge‹, oder zur Zucht, weil sie besonders schön waren… oder andere Eigenschaften aufwiesen.
Andere wurden aufgezogen, um Wald und Felder zu hegen und zu bearbeiten. Diejenigen, die wild lebten, wurden die Vorfahren der Elben, und diejenigen, die bei den Valheru blieben, die der Moredhel.
Doch dann kam eine Zeit der Veränderungen. Unsere Herren hörten auf, sich gegenseitig zu bekämpfen, und sie verbündeten sich miteinander. Wir wissen nicht mehr, warum sie das taten.
Vielleicht ist es unter den Moredhel noch bekannt. Vielleicht haben wir ihre Gründe damals gekannt. Aber es war die Zeit der Chaotischen Kriege, und vieles ist verlorengegangen. Nur dies wissen wir noch: Allen Dienern der Valheru wurde die Freiheit geschenkt, und die Alten wurden nie wieder gesehen, weder von den Elben noch von den Moredhel. Als die Chaotischen Kriege wüteten, entstanden große Risse in Zeit und Raum. Durch diese gelangten Trolle, Menschen und Zwerge auf diese unsere Welt. Nur einige wenige aus unserem Volk und den Moredhel überlebten.
Aber die bauten unsere Heime wieder auf. Die Moredhel sehnten sich danach, die Macht ihrer verlorenen Herren zu erben. Sie wollten nicht, wie die Elben, ihre eigene Bestimmung finden. So setzten sie all ihre List ein, um Zeichen der Valheru zu finden, und schlugen den Düsteren Pfad ein.
Das ist der Grund, warum wir – die wir doch einst Brüder waren – heute so verschieden voneinander sind.
Der alte Zauber ist immer noch mächtig. Was Mut und Kraft angeht, kann sich Tomas mit jedem messen. Er hat die Magie unwissentlich angenommen, und vielleicht ist das der große Unterschied.
Der alte Zauber hat aus den Moredhel die Bruderschaft des Finsteren Pfades gemacht, weil sie aus einer dunklen Sehnsucht heraus die Macht gesucht haben. Tomas war ein Knabe mit gutem und edlem Herzen. In seiner Seele gab es nichts Böses. Vielleicht wird es ihm gelingen, die dunkle Seite des Zaubers zu bannen.«
Dolgan kratzte sich am Kopf. »Das ist ein großes Risiko, nach allem, was Ihr sagt.
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