Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
beobachtete, wie Arutha und Martin die Leiter zum Achterdeck hinaufstiegen. Einen Augenblick studierte er das Paar, als wäre ihm plötzlich der eine oder andere Gedanke gekommen.
Er lächelte, als Arutha fragte: »Wie halten wir uns?«
»Wir liegen gut vor dem Wind, seit wir die Straße verlassen haben. Wenn er weiterhin aus Nordost bläst, dann sollten wir Krondor bald erreichen. Aber der Wind hält selten wirklich an, also brauchen wir vielleicht ein bißchen länger.«
Der Rest des Tages verging ereignislos, und Arutha genoß das Gefühl von Ruhe nach den Gefahren der vergangenen Tage. In der Nacht zeigten sich die Sterne klar am Himmel, und er verbrachte einige Stunden an Deck und betrachtete die leuchtenden Punkte am Himmel. Martin erschien an Deck. Arutha hörte ihn kommen und sagte: »Kulgan und Tully behaupten, die Sterne wären ebensolche Sonnen wie unsere eigene. Sie wirken nur kleiner, weil sie so weit entfernt sind.«
»Eine unglaubliche Vorstellung, aber ich denke, sie haben recht.«
»Hast du dich schon einmal gefragt, ob auf einem von ihnen vielleicht die Heimat der Tsuranis ist?«
Martin stützte sich auf die Reling. »Schon oft, Hoheit. In den Bergen kann man die Sterne genauso sehen, wenn die Lagerfeuer erloschen sind. Kein Licht aus der Stadt oder der Burg läßt sie verblassen, und sie funkeln am Himmel. Ich habe mich schon gefragt, ob auf einem von ihnen unser Feind lebt. Charles hat mir erzählt, daß ihre Sonne heller ist als unsere, und ihre Welt heißer.«
»Das erscheint mir unmöglich. Krieg zu führen, über eine solche Entfernung, solche Leere hinweg – das spottet jeglicher Logik.«
Schweigend standen sie nebeneinander. Sie waren in den Anblick der Nacht vertieft und kümmerten sich nicht um den frischen Wind, der sie nach Krondor trug. Schritte hinter ihnen ließen sie herumfahren. Amos Trask tauchte auf. Er zögerte einen Augenblick und musterte die beiden Gesichter vor sich. Dann trat er zu ihnen an die Reling. »Sterngucker, was?«
Die anderen sagten nichts, und Trask starrte in die Kielwelle des Schiffes und dann in den Himmel. »Es gibt nichts dem Meer Vergleichbares, meine Herren. Diejenigen, die ihr Leben nur auf dem Festland verbringen, können das nie verstehen. Das Meer ist manchmal grausam, manchmal sanft, nie vorhersehbar. Aber in Nächten wie diesen bin ich dankbar, daß die Götter mir erlaubt haben, Seemann zu werden.«
»Und so etwas wie ein Philosoph dazu.«
Amos kicherte. »Nehmt irgendeinen Hochseematrosen, der dem Tod auf See so oft ins Auge geschaut hat wie ich, Hoheit, und kratzt leicht an der Oberfläche. Darunter werdet ihr immer einen Philosophen finden. Keine tollen Worte, sicher nicht, aber ein tiefes Gefühl für seinen rechten Platz auf dieser Welt.«
Martin sprach ganz leise, fast wie zu sich selbst. »Als ich noch ein Junge war, zwischen den hohen Bäumen, da habe ich auch manchmal solche Gefühle gehabt. Wenn man neben einem Stamm steht, der älter ist als die älteste Erinnerung der Menschheit, dann bekommt man auch ein solches Gefühl.«
Arutha streckte sich. »Es ist schon spät. Ich wünsche euch beiden eine gute Nacht.« Er schickte sich zum Gehen an, als ihm plötzlich ein Gedanke zu kommen schien. »Ich bin zwar nicht so ein Philosoph wie ihr beide, aber ich freue mich, daß ich diese Reise mit euch machen kann.«
Nachdem er fort war, betrachtete Martin eine Weile die Sterne. Plötzlich wurde er sich bewußt, daß Amos ihn musterte. Er schaute dem Seemann ins Gesicht. »Ihr scheint nachdenklich, Amos.«
»Richtig, Meister Langbogen.« Er stützte sich gegen die Reling. »Fast sieben volle Jahre sind vergangen, seit ich nach Crydee gekommen bin. Und etwas geht mir nicht aus dem Kopf, seit ich Euch das erste Mal gesehen habe.«
»Und was ist das, Amos?«
»Ihr seid ein Mann der Geheimnisse, Martin. In meinem eigenen Leben gibt es auch viele Dinge, die ich jetzt lieber nicht bekannt werden lassen möchte. Aber bei Euch ist das etwas anderes.«
Martin schien der Wendung der Unterhaltung gleichgültig gegenüberzustehen, aber seine Augen verengten sich leicht. »Es gibt nur wenig, was in Crydee nicht über mich bekannt wäre.«
»Schon, aber eben dieses wenige ist es, was mich beunruhigt.«
»Macht Euch keine Gedanken, Amos. Ich bin der Jagdmeister des Herzogs, mehr nicht.«
Ruhig widersprach Amos: »Ich glaube, Ihr seid doch mehr, Martin. Während meiner Streifzüge durch die Stadt, als ich den Wiederaufbau überwachte, habe ich
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