Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
gehen kann, Martin, aber eines will ich doch noch sagen. Ihr habt einen einsamen Kurs eingeschlagen. Ich beneide Euch nicht um Euren Weg. Gute Nacht.«
»Gute Nacht.« Nachdem Amos aufs Achterdeck zurückgekehrt war, betrachtete Martin die vertrauten Sterne am Himmel. Alle Kameraden seiner einsamen Streifzüge durch die Berge von Crydee blickten auf ihn herab. Da waren der Wildjäger und der Jagdhund, der Drache, der Krake und die Fünf Juwelen. Er wandte seine Aufmerksamkeit dem Meer zu und starrte in die Schwärze hinab. Er war verloren in Gedanken, von denen er sich einmal eingebildet hatte, sie wären für alle Zeiten begraben.
»Land ahoi!« brüllte die Wache. »Wo?« rief Amos zurück. »Direkt voraus, Käpt’n!«
Arutha, Martin und Amos verließen das Achterdeck und begaben sich schnell zum Bug. Als sie darauf warteten, daß das Land sichtbar würde, meinte Amos: »Spürt Ihr jedesmal das Beben, wenn wir eine Welle von vorne nehmen? Das ist das Kielschwein, wenn ich mich nicht sehr irre. Ich weiß schließlich, wie ein Schiff gemacht ist. Wir müssen in Krondor in eine Werft und das Schiff überholen lassen.«
Arutha sah zu, wie der schmale Landstrich in der Ferne im Licht der Nachmittagssonne immer klarer zu sehen war. Die Sonne strahlte zwar nicht vom Himmel, aber es war ein ziemlich klarer, nur leicht bewölkter Tag. »Wir sollten Zeit genug haben. Ich möchte nach Crydee zurückkehren, sobald Erland von dem Risiko überzeugt ist. Aber selbst wenn er sofort zu stimmt, wird es doch einige Zeit beanspruchen, bis wir die Männer und Schiffe zusammengestellt haben.«
Trocken bemerkte Martin: »Außerdem würde ich persönlich die Straße der Finsternis nicht gern noch einmal durchqueren, ehe das Wetter wenigstens etwas besser ist.«
»Ihr seid ein Mann mit schwachem Herzen. Ihr habt es schon einmal auf die harte Art gemacht.
Wenn man mitten im Winter die Ferne Küste ansteuert, dann ist das etwas selbstmörderisch.«
Arutha wartete schweigend, bis sich das ferne Land immer deutlicher abzeichnete. Es war noch keine Stunde vergangen, da konnten sie Krondor schon deutlich an seinen Türmen erkennen, die zum Himmel aufragten, und an den Schiffen, die in seinem Hafen vor Anker lagen.
»Nun«, meinte Amos, »wenn Ihr ein Empfangskomittee wollt, dann lasse ich jetzt wohl besser Euer Banner setzen.«
Arutha hielt ihn zurück. »Wartet, Amos. Seht Ihr das Schiff am Eingang zum Hafen?«
Als sie sich dem Hafen näherten, musterte Amos das Schiff gründlicher. »Tolles Ding. Seht nur, wie groß das ist. Der Prinz läßt es um ein verdammtes Stück vergrößern. Dreimaster, ausgerüstet für dreißig oder noch mehr Segel. Mit der möchte ich mich nicht anlegen, wenn’s nicht sein muß. Und auch dann müßte man eine Galeere aus Quegan haben. Die Männer müßten rudern, denn dieses Schiff würde ruckzuck die Takelage zerstören.«
»Schaut nur das Banner am Mast, Amos«, bemerkte Arutha.
Als sie jetzt in den Hafen einliefen, kamen sie dicht daran vorbei. Royal Griffin prangte als Name am Bug. »Ein Kriegsschiff des Königreiches, zweifellos«, sagte Amos. »Aber ich habe noch niemals eines unter der Flagge von Krondor laufen sehen.« Am höchsten Mast des Schiffes flatterte ein schwarzes Banner mit einem goldenen Adler darauf in der Brise. »Ich dachte, ich würde jedes Banner kennen, das man auf dem Bitteren Meer sehen kann, aber dieses hier ist mir neu.«
»Dasselbe sieht man auch am Kai, Arutha«, sagte Martin und deutete in die Ferne, auf die Stadt.
Ruhig antwortete Arutha: »Das Banner hat noch niemand zuvor auf dem Bitteren Meer gesehen.« Sein Gesicht wurde grimmig, als er fortfuhr: »Solange ich nichts anderes sage, sind wir natalesische Händler, sonst nichts. Ist das klar?«
»Wessen Banner ist das denn?« wollte Amos wissen.
Arutha umspannte die Reling und antwortete wütend: »Es ist das des Zweitältesten Hauses im Königreich. Es verkündet, daß mein entfernter Cousin, Guy, der Herzog von Bas-Tyra, sich in Krondor aufhält.«
Krondor
Der Gasthof war überfüllt.
Amos führte Arutha und Martin durch die Schankstube zu einem freien Tisch in der Nähe der Feuerstelle. Als sie sich setzten, drangen Bruchstücke von Unterhaltungen an Aruthas Ohr. Bei näherer Betrachtung schien die Stimmung im Raum bedrückter, als es zuerst den Anschein hatte.
Aruthas Gedanken rasten. Innerhalb weniger Minuten nachdem sie den Hafen erreicht hatten, waren seine Pläne, sich Erlands Hilfe zu versichern,
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