Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
schaute zur Burg auf dem Hügel hinauf. »Carline?«
»Wie man es erwarten konnte. Sie weint, aber sie trägt es mit Fassung.«
Arutha kämpfte gegen ein erstickendes Gefühl an. Sein Gesicht war eine grimmige Maske, als er zu Anita, Amos und Martin zurückkehrte. Die Nachricht, daß die Prinzessin aus Krondor im Hafen war, hatte sich in Windeseile verbreitet. Die Soldaten, die Fannon und Gardan begleitet hatten, bildeten einen schweigenden Kreis um sie. Sie hielten die Stadtbevölkerung in respektvoller Entfernung, während Arutha die traurige Nachricht Martin und Amos mitteilte.
Bald trafen die Pferde ein, und sie ritten zum Schloß. Arutha spornte seinen Gaul an und war schon abgestiegen, ehe die anderen noch den Hof erreicht hatten. Der Großteil der Bediensteten erwartete ihn, und ohne jedes Zeremoniell rief er dem Diener Samuel zu: »Die Prinzessin von Krondor ist unser Gast. Sorge dafür, daß Gemächer vorbereitet werden. Dann geleite sie in die große Halle und erkläre ihr, daß ich in kurzer Zeit zu ihr kommen werde.«
Er eilte durch den Eingang, an Wachtposten vorbei, die Haltung annahmen, als ihr Prinz an ihnen vorüberstürmte. Er erreichte Carlines Gemächer und klopfte an die Tür.
»Wer ist da?« kam eine leise Stimme.
»Arutha.«
Die Tür flog auf. Carline eilte in die Arme ihres Bruders und klammerte sich an ihn. »Oh, ich bin so froh, daß du wieder da bist. Du weißt gar nicht, wie froh!« Sie trat zurück und musterte ihn.
»Entschuldige bitte. Ich wollte mit zum Hafen reiten, um dich zu begrüßen, aber ich konnte mich einfach nicht zusammenreißen.«
»Fannon hat es mir gerade erzählt. Es tut mir so schrecklich leid.«
Sie schaute ihn ruhig an. Aus ihrem Gesicht sprach nichts als Akzeptieren. Dann nahm sie seine Hand und führte ihn in ihr Zimmer. Dort setzte sie sich auf einen Diwan. »Ich wußte immer, daß das geschehen könnte. Es war wirklich eine dumme Sache, weißt du. Baron Tolburt hat einen sehr langen Brief geschrieben. Der arme Mann. Er hat so wenig von seinem Sohn gesehen, und er war so entsetzt.« Tränen traten ihr in die Augen. Sie schluckte hart und wandte sich ab. »Roland ist gestorben…«
»Du mußt es mir nicht erzählen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Es geht schon. Es tut weh…« Wieder kamen ihr die Tränen, aber sie sprach dennoch weiter. »Oh, es schmerzt, aber ich werde darüber hinwegkommen. Roland hat mir das beigebracht, Arutha. Er wußte, daß Risiken und Gefahren auf ihn warteten, und daß ich weiterleben müßte, mein eigenes Leben führen müßte, wenn er sterben sollte. Er hat mich das gut gelehrt, glaube ich. Denn endlich wußte ich, wie sehr ich ihn liebte, und ich habe es ihm auch gesagt. Und ich glaube, das hilft mir jetzt, den Verlust zu ertragen.
Roland ist bei dem Versuch gestorben, ein paar Kühe von irgendwelchen Bauern zu retten.« Sie lächelte unter Tränen. »Ist das nicht typisch für ihn? Da hat er den ganzen Winter damit verbracht, eine Festung aufzubauen, und wenn es dann das erste Mal Ärger gibt, dann sind das bloß ein paar hungrige Tsuranis, die versuchen, ein paar knochige Kühe zu stehlen. Roland ist mit seinen Männern ausgeritten, um sie zu verjagen, und wurde von einem Pfeil getroffen. Er war der einzige Verletzte, und er ist gestorben, ehe sie ihn in die Festung zurückbringen konnten.« Sie seufzte tief.
»Er war manchmal ein solcher Narr, ich glaube fast, er hat das absichtlich getan.«
Sie fing an zu weinen, und Arutha betrachtete sie schweigend. Aber schnell gewann sie ihre Beherrschung wieder und sagte: »Das hilft ja alles nichts.« Sie stand auf und trat ans Fenster. Leise sagte sie: »Verdammter, dummer Krieg.«
Arutha trat neben sie und zog sie einen Augenblick fest an sich. »Verdammt seien alle Kriege.«
Ein paar Minuten schwiegen sie noch. Dann sagte sie: »Jetzt erzähle, was gibt es Neues in Krondor?«
Arutha gab ihr einen kurzen Überblick über die Ereignisse und seine Erlebnisse in Krondor. In seinen Gedanken war er aber bei ihr. Sie schien Rolands Verlust weit besser zu ertragen, schien auch eher bereit, ihn zu akzeptieren, als sie es in ihrem Kummer um Pug gewesen war. Arutha teilte ihren Schmerz, aber er war sich auch sicher, daß sie darüber hinwegkommen würde. Er war froh zu sehen, wieviel reifer Carline in den vergangenen Jahren geworden war. Als er ihr auch von Anitas Rettung erzählt hatte, unterbrach Carline ihn. »Was, Anita, die Prinzessin aus Krondor, ist hier?«
Arutha nickte, und
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