Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon
eine Audienz gewähren, doch ich bezweifle stark, daß er hierher kommen wird. Ich mag zwar der Berater des Prinzen sein, doch in der geistlichen Hierarchie bin ich nur ein einfacher Priester mit bescheidenen Verdiensten.«
»Nun, dann fragt doch, ob er sich mit uns treffen würde. Ich glaube, wenn er mit uns zusammenarbeitet, finden wir vielleicht einen Weg, wie wir diesen Wahnsinn in Krondor beenden können. Allerdings hätte ich die Zusage vom Tempel der Lims-Kragma gern, bevor ich die Idee dem Prinzen vortrage. Ansonsten würde er wahrscheinlich überhaupt nicht zuhören.«
»Gut. Ich schicke Julian eine Botschaft. Es wäre jedoch höchst ungewöhnlich, wenn sich die Tempel in die Angelegenheiten der Stadt einmischen würden. Auch wenn die Beziehungen zwischen den Tempeln und den Beamten des Fürstentums etwas enger geworden sind, seit dieser Murmandamus aufgetaucht ist. Vielleicht wird Julian einer Zusammenarbeit zustimmen. Ich vermute allerdings, hinter dieser Sache steht noch ein anderer Plan?«
»Ja, genau«, meinte Laurie. »Was für einen Trumpf willst du denn noch aus dem Ärmel ziehen, Jimmy?«
Jimmy legte den Kopf auf die Seite und grinste. »Das Theater wird dir gefallen, Laurie. Wir veranstalten einen kleinen Mummenschanz, versetzen die Nachtgreifer in Angst und Schrecken und holen so die Wahrheit aus ihnen heraus.«
Der Herzog von Salador lehnte sich zurück und dachte über das nach, was der Junge gesagt hatte. Dann schien er verstanden zu haben, denn er strich sich durch den blonden Bart, und sein Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen. Nathan sah die beiden fragend an, bis es auch ihm dämmerte und er lachen mußte. Sich bewußt, daß er aus seiner Rolle gefallen war, versuchte sich der Geistliche der Göttin des Einen Pfades zusammenzureißen, konnte seine Erheiterung jedoch nur schlecht verbergen.
Von den großen Tempeln in Krondor wurde derjenige der Göttin des Todes, Lims-Kragma, am wenigsten aufgesucht, obwohl dem allgemeinen Glauben nach diese Göttin früher oder später jeden zu sich rief. Üblicherweise brachte man ihr Opfergaben dar und richtete Gebete für die jüngst Verschiedenen an sie, doch nur wenige verehrten die Göttin als Höchste. In den vergangenen Jahrhunderten hatten die Jünger der Todesgöttin blutige Rituale praktiziert, die sogar Menschenopfer einschlossen. Im Verlauf der Jahre hatten sie ihre Praktiken allerdings gemäßigt, und auch normale Bürger zählten zu den Gläubigen der Lims-Kragma. Die alten Vorurteile starben jedoch nicht so schnell aus. Auch heute noch wurden im Namen der Todesgöttin immer blutige Taten begangen, und für viele gewöhnliche Menschen war der Tempel weiterhin ein Hort des Schreckens. Und jetzt wurde eine Gruppe eben dieser gewöhnlichen Menschen - unter denen sich womöglich einige ungewöhnliche verbargen - in den Tempel geführt.
Arutha stand schweigend am Eingang zum innersten Heiligen des Tempels der Lims-Kragma. Schwerbewaffnete Soldaten patrouillierten im Vorraum, das Innere des Tempels bevölkerten die Tempelwachen in den schwarz-silbernen Gewändern ihres Ordens. Sieben Priester und Priesterinnen in ihren feierlichen Ornaten hatten sich aufgestellt, als sollte unter der Aufsicht des Hohepriesters Julian eine bedeutende Zeremonie durchgeführt werden. Zunächst hatte sich der Hohepriester dieser Scharade abgeneigt gezeigt, da allerdings seine Vorgängerin bei der Begegnung mit einem der Diener des Murmandamus dem Wahnsinn verfallen war, brachte er jedem Versuch, das Böse zu vereiteln, Verständnis entgegen. Widerwillig hatte er sich letztendlich einverstanden erklärt.
Die Gefangenen wurden nach vorn getrieben, auf den dunklen Eingang zu. Die meisten widersetzten sich, und die Soldaten mußten sie mit Hilfe ihrer Lanzen weiterschieben. In der ersten Gruppe befanden sich jene Verdächtigen, denen die Mitgliedschaft in der Bruderschaft der Assassinen am ehesten zugetraut wurde. Arutha hatte nur ungern in dieses Spiel eingewilligt und darauf bestanden, daß alle, die für Nachtgreifer gehalten wurden, in der ersten Gruppe ›überprüft‹ werden sollten, falls die Sache aufflog und die anderen Gefangenen Wind davon bekamen.
Als die widerwilligen Gefangenen schließlich vor dem Altar der Göttin des Todes standen, intonierte Julian: »Laßt uns mit dem Gericht beginnen.« Sofort stimmten die Priester, Priesterinnen und Mönche einen dunklen und schauerlichen Gesang an, Der Hohepriester wandte sich an die ungefähr fünfzig
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