Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon
anfechten?«
Tomas hob demütig bittend die Hände. »Wir suchen Verbündete, keine Diener. Ich bin Tomas, der mit Dolgan, dem Zwerg, bei Rhuagh bis zum letzten Augenblick die Wache hielt. Er nannte mich einen Freund, und er schenkte mir das, was mich zum Valheru machte.«
Der Drache dachte darüber nach. Dann antwortete er: »Das Lied wurde gesungen, gut und laut, Tomas, Freund von Rhuagh. Kaum ist in den alten Sagen die Rede von solch wunderbaren Dingen, die Rhuagh - der ein letztes Mal, als habe er die Jugend wiedergewonnen, durch die Himmel flog - voller Leidenschaft in seinem Todesgesang verkündete. Da sprach er von Euch und dem Zwergen Dolgan. Und alle jene, die sich Große Drachen nennen, lauschten seinen Worten und dankten ihm. Um dieser Großmut willen, werde ich mir Eure Nöte anhören.«
»Wir suchen nach Orten, die wir wegen der Grenzen von Zeit und Raum nicht betreten können. Auf deinem Rücken können wir diese Grenzen vielleicht durchbrechen.«
Der Drache wurde trotz Tomas' Versicherung mißtrauisch, weil einer von seinem Geschlecht wieder einen Valheru tragen sollte.
»Welchem Grund zufolge sucht Ihr jene Orte?«
Jetzt mischte sich Pug ein. »Eine große Gefahr besteht für diese Welt, eine Gefahr, die selbst für die vom Geschlecht der Drachen unermeßlich und unvorstellbar ist.«
»Seltsame Bewegungen hat es gegeben, dort oben im Norden«, sagte der Drachen. »Und ein böser Wind wehte dieser Nächte über das Land.« Er hielt inne und bedachte das, was gesagt worden war. »Nun denke ich also, Ihr und ich sollten einen Handel abschließen. Um solcher Zwecke willen, wie Ihr sie mir geschildert habt, werde ich mich willig zeigen, Euch und Euren Freund zu tragen. So höret denn meinen Namen: Ryath.« Der Drache legte den Kopf auf den Boden und Tomas kletterte gewandt hinauf und zeigte Pug, wo er hintreten konnte, damit es für die riesige Kreatur nicht unangenehm war. Als beide aufgestiegen waren, saßen sie in einer kleinen Vertiefung zwischen den Flügeln, dort wo der Hals in die Schulter überging.
»Wir stehen tief in deiner Schuld, Ryath«, sagte Tomas.
Der Drache schlug mächtig mit den Flügeln und stieg in den Himmel. Während sie rasch an Höhe gewannen, hielt Tomas' Magie ihn selbst und Pug fest auf Ryaths Rücken. Der Drache sagte: »Doch Schulden der Freundschaft sind keine Schulden. Denn ich bin einer der Nachkommen Rhuaghs; er war für mich, was Ihr in Eurer Welt als Vater zählen würdet, und ich war ihm eine Tochter. Wenn wir auch solcherlei Verwandtschaft nicht so hoch achten wie die Menschen, so haben diese Bande dennoch ihre Bedeutung. Und nun, Valheru, ist es an der Zeit, daß Ihr die Führung übernehmt.«
Im Besitz von Kräften, über die er seit Tausenden von Jahren nicht mehr verfügt hatte, machte sich Tomas zu einer Reise auf, die ihn zu jenen Orten führen sollte, an denen seine Brüder und Schwestern einst umhergezogen waren und Tod und Zerstörung zu ungezählten Welten gebracht hatten. Zum ersten Mal seit langer Zeit flog wieder ein Drachenlord zwischen den Welten.
Tomas lenkte die Tochter Rhuaghs mit den Gedanken. Jetzt, wo er sie brauchte, entdeckte er in sich Fähigkeiten, die er nie in seinem Leben angewendet hatte. Wieder fühlte er die Persönlichkeit von Ashen-Shugar in seinem Innern, doch im Vergleich mit dem alles verschlingenden Wahnsinn, der ihn überwältigt hatte, als ihn das Erbe des Valheru überkommen hatte, war das gar nichts.
Tomas erhielt die Illusion von Raum über sich, Pug und dem Drachen beinahe instinktiv aufrecht. Um sie herum erhellte der Glanz von Milliarden Sternen die Dunkelheit. Beide Männer wußten, sie befanden sich nicht in einem ›wirklichen Raum‹ - wie Pug es ausgedrückt hätte -, sondern in einem grauen Nichts, welches der Zauberer schon kennengelernt hatte, als er mit Macros den Spalt zwischen Kelewan und Midkemia geschlossen hatte. Doch dieses Grau hatte keine Substanz, es existierte einfach als solches zwischen den Faden des Gewebes, aus denen Raum und Zeit bestanden. Sie konnten hier altern, und dann nach Elvandar zurückkehren und nur einen Augenblick nach ihrer Abreise dort ankommen. In diesem Nicht-Raum gab es keine Zeit. Doch der Verstand des Menschen, egal wie begabt er sein mochte, hatte seine Grenzen, und Tomas wußte, daß Pug ein Mensch war, ungeachtet seiner enormen Kräfte; dies war keinesfalls der richtige Zeitpunkt, um seine Grenzen zu testen. Ryath, die Drachendame, stand der Illusion von Raum und
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