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Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon

Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon

Titel: Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Feist
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»Fragt, was Ihr wollt? Das Orakel antwortet, wenn es ihm gefallt, falls es sich überhaupt dazu entscheidet. Es wird Euch auch den Preis nennen. Vielleicht verlangt es Süßigkeiten, vielleicht Früchte, oder vielleicht will es Euer noch schlagendes Herz verspeisen. Vielleicht verlangt es Flitterzeug, mit dem es spielen kann.« Er deutete auf eine Sammlung seltsamer Gegenstände in der Ecke. »Es könnte hundert Schafe von Euch verlangen, oder einen Zentner Weizen - oder Gold. Ihr müßt selbst entscheiden, ob das Wissen, nach dem Ihr fragt, den Preis wert ist. Manchmal gibt es die Antworten auch umsonst. Doch meistens beantwortet es die Fragen gar nicht, egal, was man ihm bietet. Es ist sehr launisch.«
    Pug stieg zu dem auf dem Felsvorsprung kauernden Mädchen hinauf. Es starrte ihn eine Weile an, dann lächelte es und spielte abwesend mit den strähnigen Haaren. Pug sagte: »Wir möchten etwas über die Zukunft wissen.«
    Das Mädchen kniff die Augen zusammen, in denen nun plötzlich kein Wahnsinn mehr stand. Es war so, als wäre von einem Moment zum nächsten eine andere Person in das Mädchen hineingefahren. Ruhig antwortete es: »Um das zu erfahren, werdet Ihr mir also meinen Preis zahlen?«
    »Nennt Euren Preis.«
    »Rettet mich.«
    Tomas warf einen Blick auf ihren Führer. Von tief unter der Kapuze ertönte seine trockene Stimme. »Wir verstehen nicht wirklich, was es damit sagen will. Das Mädchen ist nur in seinem eigenen Geist gefangen. Es ist der Wahnsinn, der ihm die Gabe des Weissagens gewährt. Befreit Ihr es von seinem Wahnsinn, wird es nicht länger das Orakel sein. Also muß in den Worten noch eine andere Bedeutung liegen.«
    Pug fragte: »Wovon befreien?«
    Das Mädchen lachte, dann fügte es ruhig hinzu: »Wenn Ihr das nicht versteht, könnt Ihr mich nicht befreien.«
    Die verhüllte Gestalt in dem Kapuzenmantel zuckte mit den Schultern. Pug dachte nach. Dann sagte er: »Ich glaube, ich verstehe.« Er streckte die Arme aus und nahm den Kopf des Mädchens in die Hände. Es versteifte sich, als wollte es schreien, doch Pug sandte ihm beruhigende Gedanken. Was er jetzt versuchen wollte, war seit Urzeiten die Domäne der Geistlichen, doch seine Zeit bei den Eldar in Elvardein hatte ihn eins gelehrt: Die einzigen wirklichen Grenzen der Magie bestanden in den Grenzen des Anwenders.
    Pug schloß die Augen und drang in den Wahnsinn ein.
     
    Pug stand in einem Labyrinth aus unerträglichen Farben und Formen, in dem sich die Wände ständig verschoben. Der Horizont veränderte sich mit jedem Schritt, es gab keine feste Perspektive. Er sah auf seine Hände und beobachtete, wie sie plötzlich wuchsen, bis sie die Größe von Melonen hatten; dann schrumpften sie genauso schnell wieder, bis sie kleiner als die Hände eines Kindes waren. Er sah auf. Die Wände des Labyrinths bewegten sich scheinbar wahllos vor und zurück, wobei ihre Farben und Muster wenigstens ein dutzendmal wechselten. Selbst der Boden unter seinen Füßen veränderte sich: Was im einen Moment noch ein rot-weißes Schachbrettmuster war, stellte sich im nächsten als Muster aus schwarzen und grauen Linien dar, um sich dann wieder in blaue und grüne Punkte auf rotem Grund aufzulösen. Blendende und blitzende Lichter ließen Pug abwechselnd schwarz und weiß vor Augen werden.
    Pug versuchte, seine Wahrnehmung wieder in den Griff zu bekommen. Er wußte, er war immer noch in der Höhle, und diese Bilder drückten nur sein Bedürfnis aus, den Wahnsinn des Mädchens körperlich faßbar zu machen. Als erstes stabilisierte er sich selbst, damit das Wachsen und Schrumpfen seiner Gliedmaßen ein Ende hatte. Voreilig an irgendeiner Stelle einzugreifen, könnte den angeknacksten Verstand des Mädchens endgültig zerstören, und er hatte keine Ahnung, was das dann für ihn bedeuten würde, da er schließlich Kontakt mit diesem Verstand hielt. Womöglich würde er dann in ihrem Wahnsinn gefangen bleiben, und das war keine angenehme Aussicht. Im vergangenen Jahr hatte Pug sehr viel darüber gelernt, wie er seine Künste anwenden konnte, aber er hatte auch ihre Grenzen kennengelernt. Ihm war klar, alles, was er hier tat, beinhaltete ein großes Risiko.
    Als nächstes stabilisierte er den Bereich um sich herum und brachte die hin und her wandernden Wände und die blendenden Lichter zur Ruhe. Da jede Richtung genausogut war wie eine andere, ging er einfach los. Das Gehen war ebenfalls eine Illusion, das wußte er, doch diese Illusion konnte er ausnützen, um

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