Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
eine Wand hochkrabbeln, suchten sie sich Zoll für Zoll ihren Weg durch den Felsen.
Nicholas hatte das Zeitgefühl verloren. Mal stand er da und sah den anderen zu, dann kletterte er wieder ein kleines Stück hoch.
Dreimal hatte Calis sie vor möglicherweise brüchigen Stellen gewarnt, und einmal war sein Fuß abgerutscht, und kleine Steine waren auf Marcus und Nicholas heruntergeprasselt.
Nicholas mußte oft anhalten und nach Luft schnappen, doch meistens war das Klettern nicht so anstrengend. Er war müde, doch er richtete seine Aufmerksamkeit einfach auf die Aufgabe, die vor ihm lag, setzte eine Hand über die andere, zog einen Fuß nach, prüfte den Halt und schob sich wieder ein bißchen höher.
Einmal sah er nach unten und war überrascht. Sie hatten erst ein Drittel des Kamins hinter sich gebracht. Er entschied, nicht noch einmal nach unten zu sehen, denn bei der Enttäuschung hatte er gleich wieder einen Stich in seinem Fuß gespürt.
Obwohl sie im Schatten waren, lief ihm wegen der großen Hitze der Schweiß übers Gesicht. Manchmal konnte er einen Augenblick lang nichts sehen, wenn er nach oben guckte. Er wischte sich den Schweiß einige Male mit der Schulter ab.
Die Zeit verstrich, während er sich anstrengte, den Anschluß zu Calis und Marcus nicht zu verlieren. Jede Stunde, die verging, brachte sie der Spitze näher, doch als er der ganzen Sache gerade etwas zuversichtlicher entgegensah, meinte Calis: »Wir haben ein Problem.«
Nicholas blickte nach oben, konnte den Elben jedoch hinter seinem Cousin kaum erkennen. »Was ist denn?« rief er.
»Der Kamin wird breiter.«
»Und was sollen wir machen?« fragte Nicholas.
»Das ist etwas vertrackt. Wenn Ihr hier ankommt, seht Ihr links eine leichte Verjüngung. Es sieht so aus, als brauchte man nur ein wenig hinüberzugreifen, doch es ist gefährlich. Besser geht Ihr wieder ein Stück zurück, schwingt beide Füße zur linken Seite und schiebt Euch mit dem Rücken an der rechten Seite hoch. Verstanden?«
Nicholas sagte: »Ich denke. Ich sehe es mir bei Marcus an.«
Marcus blieb lange Zeit regungslos, und Nicholas spürte wie es in seinen Armen und Beinen zu ziehen begann. Ein Schreck durchfuhr ihn, als seine linke Hand langsam abrutschte. Er packte erneut zu.
Um sich zu beruhigen, atmete er tief durch.
Es dauerte und dauerte. Nicholas bekam leichte Krämpfe. Noch nie im Leben war er so müde gewesen. Dann sagte Marcus endlich: »Calis hat die breite Stelle hinter sich.«
Nicholas sah zu, wie sein Cousin die nächsten drei Meter hinaufkletterte. Marcus schwang das rechte Bein hinüber und fand auf der linken Seite Halt. Sich nur mit einem Bein haltend, zog er das andere nach, dann hievte er sich mit den Händen weiter hoch. Er kam nur langsam voran, doch für Nicholas sah es nicht allzu schwierig aus. Aber eine Stimme in seinem Kopf warnte ihn: Werde nicht übermütig.
Als er die Stelle erreichte, wo Marcus sich umgedreht hatte, spürte er einen stechenden Schmerz in seinem linken Fuß. »Verdammt«, sagte er leise, während er versuchte, das Gewicht darauf zu verlagern. Das linke Bein zitterte, und er mußte die Augen schließen und sich nur auf den Fuß konzentrieren. Im ersten Moment hätte er ihn am liebsten zurückgezogen, doch mit festem Willen zwang er sich, weiterzumachen.
Der rechte Fuß fand an der gegenüberliegenden Wand Halt, und er entlastete den linken.
Nicholas holte tief Luft und sah nach oben.
Marcus wollte wieder in seine vorherige Lage wechseln, als ihm plötzlich der linke Fuß wegrutschte. Er schrie auf und suchte nach Halt, doch auf einmal hing er nur noch mit den Händen an einem schmalen Sims. Seine Füße rutschten auf dem glatten Stein immer wieder ab.
Nicholas schrieb voller Panik: »Halt dich fest!« Er zwang seine schmerzenden Beine weiter und schob sich durch den Kamin hoch.
Marcus rief: »Geh weg! Wenn … ich falle … dann falle ich auf dich.« Dem Keuchen zwischen den Wörtern nach kämpfte er darum, den Halt mit den Händen nicht zu verlieren.
Nicholas beachtete die Warnung nicht und kletterte schnell nach oben. Er mußte blinzeln, da Marcus mit seinen Füßen Dreck und kleine Steinchen lostrat. Calis konnte er nicht erkennen.
Als er knapp unter Marcus’ Füßen angekommen war, rief er: »Halte mal einen Augenblick still.«
Marcus hing reglos da, während sich Nicholas nach oben schob.
Vorsichtig griff er nach Marcus’ Stiefel. »Tritt nicht nach mir, dann fallen wir beide runter.« Nur mühsam
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