Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
»Wir werden es herausfinden. Wir brauchen nur ein bißchen Zeit.«
Nicholas meinte: »Ich glaube, wir haben nicht mehr viel Zeit.«
Amos fragte: »Wieso?«
»Das sagt mir mein Gefühl. Calis meinte, viele der Gefangenen wären bereits gestorben. Wir wissen nicht, ob das wegen der Doppelgänger geschehen ist, doch wenn wir noch jemanden retten wollen, müssen wir es bald tun«.
Amos zuckte mit den Schultern. »Nach dem, was Calis gesagt hat, werden sie kaum fliehen können.«
»Nakor, wie weit ist das Gebäude mit den Gefangenen von dem unterirdischen Gang entfernt?« fragte Nicholas.
»Nicht weit«, antwortete der kleine Mann. »Doch es wäre schwierig, sie dorthin zu bringen. Die Gefangenen müßten durch das große Haus, durch die Küche und nahe an Dahakons Zimmern vorbei.«
»Wie viele Diener und Wachen habt Ihr gezählt?« fragte der Prinz.
»Nicht viele, aber es könnten noch mehr in der Gegend sein.«
»Calis meinte nein«, sagte Nicholas. »Der Oberherr und sein Berater scheinen ihre Macht mehr auf ihrem Ruf als auf Hunderten von Soldaten zu begründen.«
»Vielleicht wollen sie keine Zeugen, oder sie haben nur so wenig Männer, denen sie vertrauen können«, vermutete Amos.
Nicholas sagte: »Sobald Calis die Mädchen ausfindig gemacht hat, sollten wir aus der Stadt verschwinden. Wenn wir die Gefangenen bis zu dem ausgebrannten Haus schaffen und sie von dort aus auf Flußschiffe bringen, können wir damit bis zum Meer runterfahren und an Bord gehen.«
»Dann müßten wir das Schiff also schon gekapert haben«, meinte Amos.
»Kannst du das erledigen?«
Amos wirkte grimmig. »Wir haben nicht genug Männer. Mit fünfunddreißig Leuten … Ich brauche mindestens zwei Dutzend, um das Schiff aus dem Hafen zu bringen, und damit komme ich auch nur aus, wenn an Bord nur einige Wachen sind und der Rest der Mannschaft auf Landgang ist. Sollte auch nur ein Dutzend Männer auf dem Schiff sein, habe ich nicht genug Leute, um loszusegeln, ehe andere an Bord kommen.«
»Dann hätte ich noch elf, um die Gefangenen zu befreien«, meinte Nicholas.
»Du könntest noch Hilfe bekommen«, sagte Nakor.
»Vielleicht würde uns Vaslaw helfen«, sagte Nicholas.
Amos meinte: »Diese Männer sind womöglich gute Kämpfer, wenn sie offen vom Pferd aus angreifen, doch wir brauchen ein paar erfahrene Schleicher, die unbemerkt rein und wieder raus kommen.«
»Vielleicht könnte Brisa mit den Dieben reden?« schlug Nicholas vor.
Amos rieb sich niedergeschlagen das Gesicht.
»Vielleicht, aber nach dem, was sie gesagt hat, sind sie eher ein armseliger Haufen und nicht so wie unsere Spötter. Könnte sein, das Praji und Vaja noch ein halbes Dutzend verläßlicher Kerle auftreiben, die für ein hübsches Sümmchen Gold entsprechenden Mut zeigen.«
Nakor sagte: »Da wird sich schon jemand finden. Das wird schon gut werden.« Er wandte sich zur Tür.
»Wohin geht Ihr?« fragte Nicholas.
»Ich gehe schlafen«, antwortete Nakor grinsend. »Bald wird es hier sehr laut und geschäftig werden.«
Er verließ sie, und Amos schüttelte den Kopf. »Er ist der seltsamste Vogel, dem ich je begegnet bin, und ich habe schon einige kennengelernt.«
Nicholas mußte lachen. »Aber er ist uns eine große Hilfe.«
Amos erinnerte sich an Aruthas Zurückhaltung, als es darum ging, auf Nakor zu hören, und sein Lächeln verblaßte. Da kam etwas Dunkles auf sie zu, und noch dazu rasch, und Amos wußte, wenn er dieses Gefühl hatte, dann würden gute Männer sterben.
Er sagte nichts weiter, und sie gingen wieder in den Gemeinschaftsraum.
Anthony fragte: »Nicholas, kann ich mit Euch sprechen?«
Nicholas, der gerade auf sein Zimmer gehen wollte, nickte und bedeutete dem jungen Magier, er solle ihm folgen. Anthony schloß die Tür zu seinem Zimmer, kam über den Flur und trat hinter Nicholas ein.
»Was gibt’s?« fragte Nicholas und unterdrückte ein Gähnen. Das Warten auf Calis war ermüdend. Er setzte sich auf das Bett und deutete auf einen Stuhl neben einem kleinen Tisch, auf den Anthony sich setzen sollte.
Anthony schien der Anfang nicht leichtzufallen, und Nicholas gab sich geduldig. Er zog sich die Stiefel aus und rieb sich das linke Bein.
»Tut es noch weh?« fragte Anthony.
Nicholas zog die Zehen seines linken Fußes an. »Nein. Ja. Ich meine, nicht sehr. Er ist … ein bißchen steif, das ist alles. Es ist kein richtiger Schmerz … Es ist, als würde der Fuß den Schmerz erwarten, falls das einen Sinn ergibt.«
Anthony
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