Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
auszubrechen.
Verfolgungsjagd
Der Ausguck rief: »Schiff ahoi!«
Nicholas befreite sich aus den Armen der Randschana, die ihm ihre unsterbliche Liebe beteuerte, und rief: »In welcher Richtung?«
»Achteraus.«
Er legte dem Mädchen die Hände auf die Schultern und schob sie zurück, und zwar so heftig, daß ihre Zofen sie auffangen mußten, damit sie nicht hinfiel. Er rannte zum Heck und kletterte zum Achterdeck hoch, wo er den Horizont absuchte. Schließlich entdeckte er einen kleinen schwarzen Fleck.
»Mr. Pickens«, fragte er, »wie lange dauert es, die Flußschiffer und Söldner an Land zu bringen?«
Der Erste Maat suchte die Küste ab und sagte: »Wenn wir anhalten, eine Stunde oder etwas länger, wenn wir nur langsamer werden, vielleicht fünfzehn Minuten.«
Nicholas zeigte auf die Leute an Deck. »Können wir alle in ein Boot setzen?«
»Nein, es würde in der Brandung überschwemmt werden. Wenn wir drei- oder viermal fahren, wäre es besser.«
Nicholas fluchte. »Wann wird uns das Schiff eingeholt haben?«
»Schwer zu sagen«, meinte der Seemann. »Wenn es das Schiff ist, das uns in der Nacht im Hafen aufhalten wollte, vielleicht in einer Stunde. Wenn es ein anderes ist, dann Käpt’n …« Die Männer nannten Nicholas jetzt nicht mehr Hauptmann, sondern, wie sie es auf See gewöhnt waren, Kapitän.
»Gut.« Nicholas traf eine Entscheidung. »Macht alles bereit zum Anhalten, Mr. Pickens.« Den Männern auf dem unteren Deck rief er zu: »Laßt eine Jolle zu Wasser.«
Seeleute liefen zu einem der großen Boote, die kopfüber auf den hinteren Ladeluken lagen. Ein Ladebaum wurde herumgeschwenkt, und das Boot wurde angehoben, über die Seite geschwenkt und hinuntergelassen. Die Flußschiffer und Söldner, die am meisten darauf brannten, das Schiff zu verlassen, kletterten zwei Strickleitern hinunter. Zwei Seeleute begleiteten sie. Als sie im Boot waren, fingen sie mit aller Kraft an zu rudern, und Nicholas sah sorgenvoll zu, wie sie die Brandungslinie erreichten und dann auf den Wellen zum Strand glitten. Zwei der Flußschiffer schoben das Boot zurück ins Wasser, und die beiden Seeleute legten sich in die Riemen.
»Das dauert zu lange«, sagte Nicholas mit einem Blick auf das Verfolgerschiff, das am Horizont größer wurde. Das Boot erreichte die Adler wieder, und die zweite Gruppe von Flußschiffern und ein Söldner kletterten hinunter.
Als die Jolle den Strand erreichte, rief der Ausguck: »Käpt’n, ich kann die Flagge erkennen!«
Nicholas blickte zu dem sich nähernden Schiff und sah die schwarzen Segel. »Was für ein Wappen ist es?«
»Eine schwarze Fahne mit einer goldenen Schlange.«
Praji rief ihm zu: »Das ist ein Schiff des Oberherrn.«
Nicholas sah genau hin. »Mr. Pickens, ich bin auf hoher See nicht so erfahren, aber sie scheinen gegen den Wind zu segeln.«
Der Seemann sagte: »Käpt’n. Es segelt tatsächlich gegen den Wind.«
Einen Augenblick später rief der Ausguck herunter: »Käpt’n, das Schiff ist mit einer Ramme am Bug bestückt.«
»Eine Kriegsgaleere. Damit brauchen sie auf den Wind keine Rücksicht zu nehmen und können geradewegs auf uns zu rudern«, sagte Nicholas. »Ich habe das Schiff im Hafen nicht gesehen.«
Praji rief vom Hauptdeck her: »Der Oberherr hat für seine Flotte einen eigenen Hafen. Das ist eine Droman . Sie hat auf jeder Seite zwei Ruderbänke, eine Ramme am Bug und ein Katapult am Heck.«
»Laßt die Segel setzen, Mr. Pickens«, befahl Nicholas. »Ich werde diese Galeere nicht nahe genug herankommen lassen, daß sie uns beschießen kann.« Er sah hinunter zum Hauptdeck und rief: »Wenn die Jolle längsseits angelegt hat, bringt die Randschana und ihre Zofen von Bord, und alle, die sonst noch hineinpassen. Der Rest von euch muß schwimmen. Wir fahren weiter.«
Marcus sah sich um und sagte: »Nicholas, das Mädchen ist nicht hier.«
»Such sie!« schrie Nicholas. »Wir haben keine Zeit für ihre Spielchen.«
Marcus eilte zur Kabine der Mädchen, und als die Jolle angelegt hatte, kletterten der letzte der Flußschiffer und zwei Söldner rasch die Strickleitern hinunter. Aus der Kabine unter dem Achterdeck hörte man Schreie, und Calis und Ghuda liefen hin. Die Randschana wurde von Marcus herausgezerrt, wobei sie wild um sich trat, biß und kratzte. Margaret, Abigail und Brisa scheuchten die Zofen hinter ihr her. »Gebt ihr etwas Gold für die Reise und setzt sie in das Boot!« befahl Nicholas.
»Ich werde nicht nach Hause gehen!«
Weitere Kostenlose Bücher