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Midleifcrisis

Midleifcrisis

Titel: Midleifcrisis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Lasse Andersson
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agiere. Die Männerwelt teilt sich neben den Beischlafbettlern nämlich auf in:
    – frisch getrennte Heulsusen,
    – kopfrasierte Muckimacker,
    – Typen, die vor ihrem Motorrad posen,
    – Dumpfbacken aller Altersklassen, die weder Rechtschreibung noch Interpunktion beherrschen, geschweige denn klügere Ansprachen finden als: »Du siehst echt super aus.«
    Nur rund jeder zehnte Kerl bringt einen unfallfreien Text zustande, in dem er darauf eingeht, was ich in zarten Worten als Wünsche und Sehnsüchte meiner weiblichen Probanden angedeutet habe. Bei der Durchsicht ertappe ich mich immer wieder dabei, dass mein metrosexuelles Teil-Ich spontan auf kluge oder einfühlsame Fragen antworten möchte. Und da ich obendrein merke, bei welchen Mails mich bereits zu Beginn eine gewisse Neugier oder Zuneigung übermannt, beende ich auch diese Studien und entwickele in den folgenden Wochen ein ausgereiftes Flirtkonzept.
    Fortan lese ich Frauenprofile mehrfach gründlich, lehne mich auf eine Marlboro-Länge zurück, bis mir eine passgenaue Erwiderung einfällt, die zumeist mit einer schnuffeligen Frage endet, in der ich mich manchmal als ein wenig hilflos, öfter aber als frech und immerzu als äußerst kreativ erweise.
    Dies führt zu zahlreichen Dialogen, in deren Verlauf ich mich als schlagfertiger, witziger und charmanter Zeitgenosse gebe, der sowohl die Wildheit des Dreitagebärtlers als auch die dezente Eloquenz eines beruflich erfolgreichen Mannes versprüht. Und letztlich führt es mich in eine schnelle Abfolge von Dates, bei denen ich sorgsam auf Bindungsfähigkeit untersucht werde, obwohl auch ich nichts anderes will als die 30 Prozent Typen, die ihre hoffnungslosen Versuche mit der Frage »Ficken?« einläuten.
    Kurzum: Meine gesamte digitale Singlewelt basiert auf groß angelegtem Beschiss, und ich bewege mich für mehrere Jahre in einem irrsinnigen Lügenkreisel, an dessen Ausfahrten betrübte Frauen zurückbleiben, mit denen ich je nach Erfreulichkeit der Angelegenheit eine Nacht bis mehrere Wochen gevögelt habe. Das eigentlich Perfide an der Angelegenheit ist allerdings: Ich verliere jedes Augenmaß für Anstand, der Kleine in mir zieht sich beleidigt zurück und lässt den Cowboy wildern. Und manchmal, aber wirklich nur ganz manchmal frage ich mich, ob ich eine Gelegenheit zum Glück zwischen all diesen Frauenbeinen überhaupt noch erkennen würde.
    Die Antwort darauf gibt mir Karen.
    Ich glaube, aus Karen und mir hätte etwas werden können, wenn ich nicht so ein verficktes Arschloch und sie nicht so überaus vorsichtig gewesen wäre. Ihr Profil erheitert mich, weil das Foto ein ziemlich verrückter Schnappschuss ist: Karen hat eine fellgeränderte Kapuze auf dem Kopf, kneift die Augen zu, schneidet eine schreckliche Grimasse und streckt dem Fotografen die Zunge raus.
    Hübsch geht definitiv anders, und ich bin mir auf den ersten Blick sicher: Wer so ein Foto ins Netz stellen muss, den hat die Natur grausam benachteiligt.
    Ich studiere ihr Profil, immerhin, der kurze Text gefällt mir gut. »Scheiß auf alle Prinzen. Männer, die sich nach dem Küssen verwandeln, hab ich echt genug gehabt.« Ich hinterlasse eine kurze Notiz: »Das hast du voll in den falschen Hals gekriegt. Frösche verwandeln sich, und zwar in Kaulquappen, und wer will die schon küssen?«
    Nein, das tue ich nicht, um zu flirten, manchmal hinterlasse ich auch nur so eine Nachricht, einfach deshalb, weil sie mir eingefallen ist.
    Karen meldet sich am nächsten Tag. Nicht, dass es die erste Mail wäre, die ich beantworte, aber gegen Ende meines Tippseltages bekommt auch sie eine heitere Replik, aus der sich langsam ein netter Dialog entwickelt.
    Karen ist Grafikerin, ich Werber, sie kennt zwei Kampagnen, die ich damals in Köln gemacht habe, ich kenne mehrere Sorten Mischgemüse, für das sie Möhrchenscheiben und Brokkoli auf der Gefrierverpackung entworfen hat.
    Karen hat eine Dauerkarte für den FC St. Pauli, ich turne bisweilen im VIP-Block auf der Gegenseite herum, und beide sind wir von der Außenseiterromantik dieses Piratenklubs fasziniert.
    Karen hat Basketball gespielt, aber sie war zu klein, um es in höhere Gefilde zu schaffen, dass ich mal Bundesligaspieler war, scheint ihr mehr zu imponieren als alles, was sie bei Google über mich findet.
    Karen lacht über die gleichen Sachen, und ich könnte mich wegschmeißen, wenn sie mir ulkige Postkarten einscannt oder äußerst seltene Flachwitze schickt, denn sie verfügt über einen

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