Midleifcrisis
hintersinnigen Humor, der dem meinen recht ähnlich ist.
Aber ich flirte nicht, Gott bewahre, denn da ist noch immer dieses Gruselfoto und ich lese auch so genügend Frauen auf, die mir für ein paar Tage die Einsamkeit vertreiben. Im Moment tut das Janina, eine ausgesprochen zickige Online-Journalistin, die aber zum Trost über einen traumhaften Körper verfügt und definitiv mehr von mir will, doch ich drücke mich erfolgreich um einen Ausbau unserer angenehmen Affäre zur Beziehung und besuche sie nur alle paar Tage für eine Nacht. Die entstehenden Freiräume fülle ich je nach Lage an der Front mit hart erarbeiteten One-Night-Stands.
Und nun will Karen mich kennenlernen.
Eigentlich steht sie überhaupt nicht auf meiner To-do-Liste. Ich meine, ganz im Ernst, was soll das? Sie ist hässlich. Wenn sie sich in mich verliebt, muss ich ihr einen Korb geben. Wenn ich ihr keinen Korb gebe und sie aus purer Sympathie einmal vögele, breche ich ihr kleines Herz. Was kann schon dabei herauskommen außer Tränen oder erotischen Unerfreulichkeiten?
Doch nach ein paar Tagen lasse ich mich zu einer gemeinsamen Mittagspause unter Kollegen überreden. Sie ist der Karottenscheiben überdrüssig und will mir eine Bewerbungsmappe zeigen. Und im Grunde seines Herzens ist der alte LeiLa ja auch noch ein gutmütiger Kerl.
Wir treffen uns im »September«, an der Ecke des Heiligengeistfeldes, wo der FC St. Pauli spielt. Ich bin vor ihr da und warte gespannt auf das Original zum Gruselfoto. Als eine echt hübsche Frau von vielleicht 27 Jahren mit dunklen Haaren und Wahnsinnsfigur durch die Tür kommt, lächele ich ihr zu, so etwas geht bei mir inzwischen automatisch, und ich hätte auch keine Hemmungen, ihr noch schnell meine Telefonnummer zuzustecken, bevor gleich Karen kommt. Als aber ebendiese Frau zurücklächelt, sich an meinen Tisch setzt und »Hey, Leif« sagt, dämmert mir, dass sie überraschenderweise Karen heißen könnte und ich besser mal anfangen sollte, einen Tick weniger dämlich und vielleicht auch nicht mehr so ungeniert auf ihre Titten zu starren.
»Na so was«, sage ich.
Karen legt ihre Mappe auf den Tisch. »Willste sehen?«
»Später«, antworte ich, »ich muss mich erst erholen.«
»Von was denn?«
»Von deinem Profilfoto, du Knalltüte. Du bist eine Internetbetrügerin.«
»Enttäuscht?«, fragt Karen und grinst spitzbübisch.
»Oh ja«, sage ich. »Normalerweise steh ich total auf Frauen, die Fratzen schneiden. Mit hübschen Mädels kann ich echt nichts anfangen.«
»Da wären wir ja beim Thema«, sagt sie. »Ich steh total auf Männer, die nur mit mir ins Bett wollen, und die kann ich mit so einem Foto ganz gut fernhalten.«
Wir lächeln uns eine kleine Weile an. Dann startet Karen eine Art Beziehungstauglichkeitsblitzverhör, so wie alle Frauen es irgendwann machen, allerdings tun es die wenigsten so früh und so voller Witz und Anmut: »Und sonst, Herr Andersson?«, fragt sie mich mit einem kecken Blick von schräg unten rechts. »Altlasten? Unbewältigte Lieben? Sexuelle Perversionen?«
Jetzt ziehe ich eine Grimasse. »Ich sammele die Höschen von allen Frauen, die mit mir ins Bett gehen.« Dann denke ich nach und frage: »Apropos: Was trägst denn du eigentlich drunter heute?«
Da grinst Karen vergnügt und ich registriere erfreut, dass ich es trotz des verpatzten Starts offensichtlich bis auf Ballhöhe geschafft habe.
»Auf der Agenturhomepage siehst du viel älter aus«, stellt Karen fest und zwirbelt sich mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand nachdenklich das Ohrläppchen.
»Okay«, sage ich, »es steht 1:1. Zeig mal deine Mappe.«
Karen rutscht zu mir auf die Bank, ich schiele ihr beim Entwürfedurchsehen beiläufig in den Ausschnitt und runzele die Stirn. »Geil, echt!«, sage ich, denn auch die Mappe ist recht gut, Karen rückt derweil dicht an mich heran, ihre Haare fallen auf die Folien, und das alles sieht wirklich sehr apart aus. Ich sehe sie in stiller Zuneigung von der Seite an und sie fragt mich unvermittelt: »Mal ganz ehrlich: Haste eigentlich ’ne Freundin?«
Ich denke kurz an Janina, aber dies ist eine Sache der Definition und in meinem Fall somit eindeutig.
»Nö«, sage ich entschlossen. »Die Planstelle ist noch frei.«
Nach einer Stunde müssen wir los. Ich bummele zurück zur Agentur und freue mir ein Loch in den Bauch. Diese Frau ist ein Knaller! Angekommen, erwartet mich bereits eine E-Mail. »Hey, VIPman, Wiederholungsmatch morgen auf St. Pauli?«
»Auf
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