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Midleifcrisis

Midleifcrisis

Titel: Midleifcrisis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Lasse Andersson
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braun gebrannt ist. Sie lächelt mich an, steht auf und kommt zu mir herüber. Eigentlich müsste ich jetzt Schnappatmung kriegen, so schön und so exotisch ist diese Frau, sie setzt sich neben mich und sagt: »Hi, ich bin Maria. Und du bist Hamburgs Werbekönig? Ich hab die ganze Zeit geguckt, wo du bist, ich dachte, du wärst schon weg.«
    Diese Frau spielt in einer anderen Liga als die Mädels eben, außerdem habe ich genug gevögelt, betrunken bin ich auch, und so versuche ich es zur Abwechslung mit Ehrlichkeit: »Nein. Leider. Kein Werbekönig.«
    Sie fragt: »Was dann?«
    Ich wähle erneut die Wahrheit: »Schon ein höheres Tier in einer Werbeagentur. Aber ich kann im Leben keinem Model einen Job besorgen.« Ihr Blick ruht nachdenklich auf mir, dann sagt sie: »Wenigstens bist du ehrlich.«
    Sie schweigt eine Weile, ich trinke weiter, es ist nicht besonders flirty. Maria sieht mich prüfend an und fragt: »Aber du bist gern hier?«
    »Weiß nicht«, sage ich, »ist das erste Mal, glaub nicht, dass ich noch mal wiederkomme.«
    Sie zieht einen nachdenklichen Schmollmund, der mich umhaut. »Ich hab’s mir auch ganz anders vorgestellt. Das ist echt abgefuckt hier. Stell dir mal vor: Zwei Typen haben mich schon gefragt, ob ich heute mit ihnen ins Bett gehe. Was denken die, wer ich bin?«
    Nun, nach meinem Nuttenerlebnis von eben weiß ich zufällig, was die Typen denken, aber das erzähle ich Maria nicht, sondern erfahre, dass sie tatsächlich Model ist, dass ihre Agentur sie hergeschickt hat und dass sie den Partyprinzen eklig findet und die anderen Mädchen billig.
    »Lass uns irgendwo was essen gehen«, schlage ich vor, »ich habe Hunger.«
    Sie holt ihren Mantel. Ein Kumpel vom Partyprinzen nimmt mich an der Tür zur Seite und brummt: »Ey, die war für den Chef.« Doch ich bin ziemlich breit und der Typ ist mir egal, ich mache meinen Arm frei, Maria und ich verschwinden und ich erlebe einen verträumten 3-Uhr-Morgen-Lunch in einem rund um die Uhr geöffneten Steakhaus an der Reeperbahn, bei dem ich wenig sage, weil ich noch zu betrunken bin, und lieber fasziniert an ihren üppigen Lippen hänge. Marias Papa ist Kubaner, ihre Mutter ist aus Schweden, so wie mein Papa, sie hat die Grazie einer Latina und die Ausstrahlung einer Königin. Seltsamerweise konstatiere ich all das gänzlich ungerührt, ich bin kein bisschen geil, und dies wird sich später als großer Pluspunkt auf meinem Konto erweisen.
    Wir bleiben die ganze Nacht auf der Reeperbahn, ich bin inzwischen auf Wasser umgestiegen. Maria will tanzen, doch was sie auf der Tanzfläche macht, hat nichts, aber auch wirklich nichts mit den Darbietungen der anderen Mädels zu tun. Maria turnt so voller Fröhlichkeit, Anmut und Erotik um mich herum, dass ich mir wie ein morscher Baumstamm vorkomme. Nach einer wilden Drehung fällt sie mir in den Arm und küsst mich überschwänglich, doch weiter komme ich nicht in den Nahkampf. Als der Morgen aufzieht, fahre ich sie nach Hause und von dort direkt zur Arbeit. Nicht, ohne mich für nächste Woche mit ihr zu verabreden. Das Leben muss schließlich weitergehen. Und Maria hat definitiv etwas, was mich reizt. Am reizvollsten finde ich den Gedanken, mit ihr beim nächsten Sommerfest in der Agentur aufzukreuzen. Sollen die dort doch sehen, dass ich wieder am Leben bin.

Seemannsknoten
    In den Thinktank ist vorsichtiger Optimismus eingekehrt. Wo vorher das schleichende Gift der Sinnlosigkeit alle Arbeit lähmte, wird wieder in Zwölf-Stunden-Tagen geschuftet. Der Kunde will sein Content-Management-System mit datenbankgestützer Werbeeinspielung in sechs Monaten laufen haben. Paulsen blüht auf und scheucht seine Techniker von hier nach dort, der Pixelpunk wirft täglich technische Verbesserungen auf den Markt, ich entwerfe neue Kampagnen und grabe wie wild nach weiteren Kunden. Das Leben macht wieder Spaß, wir haben einen Timetable einzuhalten, es wird knapp, aber wir werden es schaffen und die Welt erobern.
    Mein Leben im Internet geht weiter. Nicht mehr so wild wie in den letzten Monaten, aber eigentlich habe ich immer zwei, drei Singlebörsen als kleines Fenster auf dem Computer geöffnet. Es entspannt mich halt, zwischen der vielen Arbeit öfter mal ein paar Minuten zu flirten.
    Und jetzt hocke ich hier nach Feierabend, mir gegenüber sitzt Yvonne und ich ringe um einen einigermaßen souveränen Auftritt. Denn Jungs, ich gebe es hiermit ganz offiziell zu: Sexuell gesehen, war ich bisher eine Flachpiepe, und heute

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