Midnight Breed 02 - Gefangene des Blutes-neu-ok-10.11.11
Hause bringen. Niemand konnte das. Die Wahrheit würde
Elise umbringen, aber sie hatte trotzdem ein Anrecht darauf.
Chase stieg aus dem Fahrstuhl
und griff in seine Manteltasche, um sein Handy herauszuholen. Während er zu
Dantes Coupe ging, drückte er die Kurzwahltaste. Elise nahm beim zweiten
Klingeln ab; ihre Stimme klang besorgt und zugleich voller Hoffnung.
„Hallo? Sterling, geht es dir
gut? Hast du ihn gefunden?“
Chase blieb stehen und stieß
innerlich Verwünschungen aus.
Für einen langen Augenblick war
er nicht in der Lage, zu sprechen. Er wusste nicht, wie er formulieren konnte,
was er zu sagen hatte. „Ich, also … ja, Elise. Camden ist heute Nacht gesichtet
worden.“
„O mein Gott.“ Sie schluchzte
auf, dann zauderte sie. „Sterling, ist er … bitte sag mir, dass er am Leben
ist.“
Scheiße. Er hatte nicht
vorgehabt, das am Telefon zu besprechen. Er wollte sie nur kurz anrufen und
wissen lassen, dass er später alles erklären würde, aber Elises mütterliche
Sorge kannte keine Geduld. Sie brauchte unbedingt Antworten, und Chase konnte
sie nicht länger vor ihr zurückhalten.
„Ach, Elise. Zum Teufel. Es sind
keine guten Neuigkeiten.“
Am anderen Ende wurde es still.
Chase begann ihr die Fakten zu berichten. „Camden wurde heute Nacht beobachtet,
wie er mit einer Gruppe Rogues herumzog. Ich habe ihn in der Wohnung des
Menschen, der mit Crimson dealt, selbst gesehen. Er ist in einer schlechten
Verfassung, Elise. Er ist … ach verdammt, es ist nicht leicht, dir das zu
sagen. Er ist verwandelt, Elise. Es ist zu spät. Camden ist zu einem Rogue
geworden.“
„Nein“, sagte sie schließlich.
„Nein, ich glaube dir nicht. Du musst dich irren.“
„Es ist kein Irrtum. Ich wünschte,
es wäre so, aber ich habe ihn mit meinen eigenen Augen gesehen. Ich habe
außerdem Aufnahmen einer Überwachungskamera gesehen, die die Krieger benutzen.
Er und eine Gruppe anderer Jugendlicher aus dem Dunklen Hafen - jetzt allesamt
Rogues - sind dabei gefilmt worden, wie sie in aller Öffentlichkeit einen
Menschen überfielen.“
„Ich muss das selbst sehen.“
„Nein, vertrau mir, du brauchst
nicht …“
„Sterling, hör mir zu. Camden
ist mein Sohn. Er ist alles, was mir noch geblieben ist. Wenn er getan hat, was
du sagst - wenn er so ein Tier geworden ist und du Beweise dafür hast, dann
habe ich ein Recht darauf, es mit eigenen Augen zu sehen.“
Chase trommelte mit den Fingern
auf das Dach des schwarzen Porsche. Er wusste, dass keiner der Krieger dafür
Verständnis haben würde, wenn er eine Zivilistin in das Quartier brachte.
„Sterling? Bist du noch da?“
„Ja, ich bin noch da.“
„Wenn du auch nur das kleinste
bisschen für mich oder das Andenken deines Bruders übrig hast, dann lässt du
mich meinen Sohn sehen.“
„Also schön“, gab er schließlich
nach und tröstete sich damit, dass er immerhin bei ihr sein würde, wenn er
ihrer zweifelhaften Bitte nachgab. Er würde da sein, um sie aufzufangen.
Wenigstens das. „Ich habe noch etwas zu erledigen, aber dann kann ich einen Abstecher
zum Dunklen Hafen einschieben. Ich würde dich in etwa einer Stunde abholen.“
„Ich warte auf dich.“
Diese unglaubliche Wärme war
wieder da. Tess spürte es, tief im Innern der dunklen Gezeiten, in denen sie
festgehalten wurde.
Sic steckte tastend ihre Sinne
nach der Hitzeflut aus, nach dem wundersamen Duft und Geschmack des flüssigen
Feuers, das sie nährte. Bewusste Gedanken schienen ständig außerhalb ihrer
Reichweite zu tanzen, aber ihre Nervenenden begannen zu schwingen wie Saiten
aus kleinen Lichtern, als ob ihr Körper langsam auftaute und Zentimeter für
Zentimeter, Zelle für Zelle, zum Leben erwachte wie nach einem langen, kalten
Schlaf.
„Trink“, forderte eine tiefe
Stimme sie auf, und sie trank.
Sie sog mehr von dieser Hitze in
ihren Mund und schluckte in gierigen Zügen. Ein eigenartiges Erwachen setzte
irgendwo tief in ihrem Inneren ein, als sie von der Quelle der kraftvollen
Wärme trank. Es begann in ihren Fingern und Zehen, sprang dann auf ihre
Gliedmaßen über; eine Art Strom, der in wogenden Wellen durch sie
hindurchsummte.
„So ist es gut, Tess. Nimm mehr.
Immer schön weiter trinken, mein Engel.“
Sie hätte gar nicht aufhören
können, selbst wenn sie es gewollt hätte. Es war, als ob jedes Schlückchen sie
durstig machte auf das nächste Schlückchen. Jeder Schluck lieferte neuen
Brennstoff für das Feuer, das in ihrem innersten Kern
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