Midnight Breed 02 - Gefangene des Blutes-neu-ok-10.11.11
du keine
Computerdateien durch Handauflegen entziffern kannst“, sagte er. „Dann
bräuchten wir uns nicht mit diesem Kerl abzugeben.“
„Sei’s drum“, sie seufzte
dramatisch. „Psychometrie funktioniert so nun mal nicht, jedenfalls nicht bei
mir. Ich kann dir sagen, was Ben Sullivan angehabt hat, als er den Flashdrive
bei sich trug, ich kann den Raum beschreiben, in dem er war, seinen
Bewusstseinszustand, aber ich kann nicht in elektronische Schaltkreise
eindringen. Gideon ist in diesem Fall unsere beste Chance.“
Dante zuckte die Achseln. „Dann
haben wir wohl Pech, was?“
Am Computer hackte Gideon eine
letzte Salve in die Tasten, dann lehnte er sich zurück und faltete die Hände
hinter dem Kopf. „Ich bin drin. Das waren eine Minute und neunundvierzig
Sekunden, um exakt zu sein.“
Dante umrundete ihn, um auf den
Bildschirm zu schauen.
„Was haben wir denn da?“
„Datenpakete,
Tabellenkalkulationen, Flussdiagramme.
Pharmazeutische Tabellen.“
Gideon bewegte die Maus und klickte eine der Dateien auf. „Sieht aus wie ein
chemisches Experiment. Braucht jemand ein Rezept für Crimson?“
„Gott im Himmel! Das ist es?“
„Darauf würde ich wetten.“ Mit
finsterem Blick klickte sich Gideon durch weitere Dateien. „Da ist allerdings
mehr als eine Formel auf dem Drive, das erschwert die Sache. Wir können nicht
wissen, welche funktioniert, ehe wir nicht die Substanzen besorgt und jede
einzelne ausprobiert haben.“
Dante harkte sich mit den
Fingern durchs Haar und begann hin und her zu tigern. Er war begierig, mehr
über die Formeln zu erfahren, die Ben Sullivan auf dem Flashdrive gespeichert
hatte. Andererseits zog es ihn in sein Quartier zurück. Er konnte Tess’ Unruhe
spüren, denn ihre Blutsverbindung schuf einen beständigen Kontakt zwischen
ihnen. Es war wie ein unsichtbarer Draht, der ihn mit ihr verband, als wären
sie eins.
„Wie geht es ihr?“, fragte
Savannah, die offenbar ahnte, was ihn umtrieb.
„Besser“, erwiderte er. „Sie ist
wach und erholt sich. Körperlich geht es ihr gut. Ansonsten habe ich versucht,
sie in alles einzuweihen, aber ich merke, dass sie ziemlich durcheinander ist.“
Savannah nickte. „Wer wäre das
nicht? Ich dachte, Gideon spinnt, als er mir zum ersten Mal von alledem erzählt
hat.“
„Du denkst doch immer noch
meistens, dass ich spinne, Liebes, das ist ein Teil meines Charmes.“ Er beugte
sich zu ihr hinüber und deutete einen Biss in ihren jeansverpackten Schenkel
an, ohne dass seine Finger auf der Tastatur aus dem Rhythmus kamen.
Spielerisch schlug sie nach ihm,
dann richtete sie sich auf und schlenderte zu Dante, der dabei war, eine Furche
in den Teppich zu laufen. „Meinst du, Tess ist hungrig? Ich habe in der Küche
gerade Frühstück für Gabrielle und mich gemacht. Ich kann ein Tablett für Tess
zusammenstellen, wenn du es ihr mitbringen willst.“
„Oh ja! Danke, Savannah, etwas
zu essen wäre großartig.“
Gott, er hatte gar nicht
bedacht, dass Tess etwas essen musste. Da zeigte sich bereits, was für ein
umsichtiger Gefährte er doch war. Er kümmerte sich kaum anständig um sich
selbst, und jetzt hatte er eine Stammesgefährtin mit menschlichen Bedürfnissen
und Wünschen, die weit außerhalb seiner Kompetenz lagen. Seltsam genug, dass
dieser Gedanke, der ihm in nicht allzu ferner Vergangenheit schwer zu schaffen
gemacht hätte, sich nun irgendwie … beglückend anfühlte. Er wollte Tess
versorgen, auf jede Art. Er wollte sie beschützen und sie glücklich machen, sie
verwöhnen wie eine Prinzessin.
Zum ersten Mal in seinem langen
Leben fühlte er sich, als hätte er seine eigentliche Erfüllung gefunden. Nicht
Ehre und Pflicht, die Maximen, die ihn als Krieger auswiesen, aber
gleichermaßen zwingend und rechtschaffen. Etwas, das alles Männliche in ihm
ansprach.
Er hatte das Gefühl, als könnte
diese Verbindung, die er gefunden hatte - die Liebe, die er für Tess empfand -
, tatsächlich stark genug sein, um ihn den Tod und die Qual vergessen zu
lassen, die ihn seit jeher verfolgten. Ein hoffnungsvoller Teil seines Selbst
wollte glauben, dass er mit Tess an seiner Seite vielleicht einen Weg finden
konnte, seiner Vision einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Dante war noch nicht dazu
gekommen, diesen Hoffnungsschimmer richtig zu genießen, als ein Schrei ihn
durchfuhr wie eine Klinge. Er fühlte es körperlich, doch der Angriff war nur in
seinen Sinnen, was er daran merkte, dass weder Savannah noch Gideon auf
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