Midnight Breed 02 - Gefangene des Blutes-neu-ok-10.11.11
selbst ein
Krieger gewesen war und den alle längst für tot gehalten hatten. Erst im
letzten Sommer, als der Orden eine wachsende Splittergruppe Rogues vernichtet
hatte, war ihnen klar geworden, dass Lucans Bruder noch am Leben war.
Nicht nur am Leben, es ging ihm
geradezu prächtig, und inzwischen war er der selbst ernannte Anführer von
etwas, was immer mehr die Dimension eines beispiellosen Rogue-Aufstandes
annahm. Und die Gefahr war keineswegs gebannt.
Schließlich hatte Marek es
geschafft, dem Angriff zu entkommen, der seine anwachsende Armee und ihr
Hauptquartier in Rauch und Asche verwandelt hatte.
„Mein Bruder ist vieles“, sagte
Lucan gedankenschwer, „aber ich kann euch versichern, verrückt ist er nicht.
Marek hat einen Plan. Wohin auch immer er entkommen ist, wir können davon
ausgehen, dass er dort weiter an seinem Plan arbeitet. Was auch immer er
vorhat, er wird alles tun, um ihn in die Tat umzusetzen.“
„Was bedeutet, dass er seine
Armee wieder aufbauen muss, und zwar schnell“, sagte Gideon. „Und weil es Zeit
und eine Menge ungünstiger Umstände braucht, bis ein Vampir von alleine zum
Rogue mutiert, hat Marek vielleicht versucht, einen Weg zu finden, um seine
Rekrutierungsaktionen etwas anzukurbeln …“
„Und Crimson wäre da eine
absolute Trumpfkarte für ihn“, fiel Dante ein.
Gideon warf ihm einen nüchternen
Blick zu. „Mir wird ganz anders, wenn ich mir vorstelle, was Marek mit dieser
Droge tun könnte, wenn er sie weltweit vertreibt. Eine Epidemie von zivilen
Stammesmitgliedern, die auf Crimson zu Rogues mutieren, können wir nicht
eindämmen. Das hätte die totale Anarchie auf der Welt zur Folge.“
Dante wollte sich gar nicht
ausmalen, was geschehen würde, wenn Gideon mit seiner Spekulation recht
behielt. Aber er musste zugeben, dass ihm schon ähnliche Gedanken gekommen
waren. Und wenn er daran dachte, dass Tess’ Freund in dieser Sache drinhing - und
dass auch Tess etwas zu tun haben könnte mit dem Problem, das Crimson für den
Stamm bedeutete - , gefror ihm das Blut in den Adern.
Konnte Tess etwas davon wissen?
Konnte sie etwas damit zu tun haben, vielleicht ihren Freund mit
pharmazeutischem Zubehör aus ihrer Klinik beliefern? Hatten die beiden
überhaupt eine Ahnung, was Crimson anrichten konnte? Und schlimmer, wäre es
ihnen womöglich egal, wenn sie die Wahrheit erfuhren - nämlich, dass seit
Jahrtausenden Vampire mit den Menschen zusammenlebten? Aus der Perspektive
eines Menschen wäre der Tod von ein paar Blutsaugern - oder ihrer ganzen
Spezies - wahrscheinlich gar keine so schlechte Sache.
Dante musste herausfinden,
welche Rolle Tess hierbei spielte, falls sie denn überhaupt eine Rolle spielte.
Aber bis er das wusste, wollte er nicht, dass sie ins Kreuzfeuer eines
Stammeskrieges geriet. Und es gab einen Teil in ihm, dem es nicht ungelegen
kam, sich an Tess heranzumachen, um über sie an ihren Hurensohn von Freund
heranzukommen. Nah genug, um den Dreckskerl zu töten, wenn es sein musste.
Bis es dazu kam, hoffte er, dass
der Orden das Crimsonproblem eindämmen konnte, bevor die Situation weiter außer
Kontrolle geriet.
„Hi, Ben, ich bin’s.“ Tess
schloss die Augen, ließ die Stirn auf ihre Hand sinken und seufzte tief. „Pass
auf, ich weiß, es ist eigentlich viel zu spät, um noch anzurufen, aber ich
wollte, dass du weißt, dass es mir wirklich nicht recht ist, wie wir heute
Abend auseinandergegangen sind. Ich hätte mir gewünscht, dass du dageblieben
wärst und ich es dir hätte erklären können. Du bist mein Freund, Ben, und ich
wollte dir nie wehtun …“
Mit einem schrillen Piepton
unterbrach Bens Anrufbeantworter sie. Sie legte den Hörer auf und kuschelte
sich wieder auf ihre Couch.
Vielleicht war es besser, dass
sie keine Chance bekam, zu Ende zu sprechen. Sie faselte sowieso nur noch
dummes Zeug, war zu aufgedreht, um schlafen zu können, obwohl es fast
Mitternacht war und sie in rund sechs Stunden wieder in der Klinik sein musste.
Sie war hellwach, entnervt vom heutigen Abend, und machte sich Sorgen um Ben,
einen, wie sie sich jetzt wieder selbst erinnern musste, erwachsenen Mann, für
den sie nicht verantwortlich war.
Sie sollte sich keine Sorgen
machen, aber sie tat es trotzdem.
Außer Nora war Ben ihr engster
Freund. Die beiden waren eigentlich ihre einzigen Freunde. Ohne sie hatte sie
niemanden, obwohl sie zugeben musste, dass sie gern so zurückgezogen lebte.
Sie war nicht wie andere Leute,
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