Midnight Breed 02 - Gefangene des Blutes-neu-ok-10.11.11
unglaubliche Wirkung, die das Crimson auf diesen Jungen gehabt
hatte - diese monströse Verwandlung - , war absolut jenseits von allem, was er
als real und greifbar akzeptieren konnte.
Ben drehte den Zündschlüssel um
und wartete stumpf, bis der Motor seines Kleinbusses rasselnd zum Stillstand
kam. Er musste die Formel seiner Droge überarbeiten. Vielleicht war die
aktuelle Lieferung verdorben. Vielleicht hatte er unbeabsichtigt etwas anders
gemacht als bisher. Vielleicht hatte der Junge eine allergische Reaktion
gehabt.
Klar. Eine allergische Reaktion,
die zufällig einen sonst normal aussehenden Mittzwanziger in einen blutrünstigen
Vampir verwandelte.
„Gott im Himmel“, flüsterte Ben,
als er aus dem Kleinbus stieg, und fiel auf dem Kies in einen nervösen
Laufschritt.
Er erreichte das alte Gebäude
und fummelte nach dem Schlüssel für das große Vorhängeschloss an der Tür. Mit
einem metallischen Klicken und quietschenden Türangeln öffnete sich die Tür,
und er betrat sein privates Labor.
Von außen sah das Gebäude
verfallen aus, aber wenn man erst einmal drin war und all den Verfall und die
geisterhaft verlassenen Maschinen der ehemaligen Papiermühle hinter sich
gelassen hatte, war das Labor hochmodern eingerichtet - mit den Mitteln eines
reichen anonymen Gönners, der Ben dafür bezahlte, seine pharmakologischen
Aktivitäten exklusiv auf die Herstellung des roten Pulvers zu beschränken, das
unter dem Namen Crimson im Umlauf war.
Bens Büro lag in einer
geräumigen Zelle, die mit drei Meter hohen Stahlgittern gesichert war. Darin
befand sich ein glänzender Tisch aus rostfreiem Edelstahl, bedeckt mit einer
Ansammlung von Kolben, Brennern, Mörsern und Stößeln sowie einer teuren
elektronischen Waage. An der einen Wand standen in zahlenschlossgesicherten
Schränken Kanister, die diverse pharmazeutische Wirkstoffe enthielten - Serotoninbeschleuniger,
Muskelrelaxanzien und andere Zutaten, nichts davon schwer zu beschaffen für
einen ehemaligen Chemiker mit Geschäftskontakten, die ihm noch diverse Gefallen
schuldeten.
Er hatte nicht vorgehabt,
Drogendealer zu werden. Bis ihn der Kosmetikkonzern entlassen hatte, für den er
als Chemieingenieur und Entwickler und Manager von Forschungsprojekten
gearbeitet hatte, hätte Ben nicht mal im Traum gedacht, dass er einmal auf der
anderen Seite des Gesetzes stehen würde. Aber er hatte eben ständig gegen die
grausamen Tierversuche protestiert, die er jahrelang in den Versuchslaboren des
Unternehmens mit ansehen musste. Und dafür war er schließlich gefeuert worden.
Also war Ben in den Untergrund gegangen und kämpfte dort für die gute Sache.
Angefangen hatte er mit
Rettungsaktionen für ausgesetzte und vernachlässigte Tiere. Dann war er dazu
übergegangen, sie zu stehlen, wenn sich die offiziellen, legalen Maßnahmen als
nicht effizient genug erwiesen. Von da an war es nicht mehr weit zu anderen
dubiosen Aktivitäten, und die Herstellung von Clubdrogen war ein relativ einfaches
und risikoarmes Geschäft.
Was, dachte er, war schließlich
kriminell daran, seine doch recht harmlosen Freizeitdrogen an erwachsene
Menschen zu verkaufen, die sie unbedingt haben wollten?
Seine Rettungsaktionen brauchten
finanzielle Unterstützung, und er hatte der Clubszene mit ihren Pillen
fressenden Ravern etwas anzubieten, das seinen Preis wert war - etwas, das sie
sich sowieso irgendwo besorgen würden. Also warum nicht von ihm?
Leider sah Tess das ganz anders.
Als sie herausfand, was er tat, hatte sie sofort Schluss mit ihm gemacht. Ben
hatte ihr hoch und heilig geschworen, mit dem Dealen aufzuhören - nur für sie
- , und das hatte er wirklich.
So lange, bis sein aktueller Geldgeber letzten Sommer mit einem dicken Bündel
Geldscheine bei ihm aufgetaucht war.
Damals hatte Ben das wachsende
Interesse an Crimson gar nicht verstanden. Hätte man ihm aufgetragen,
Produktion und Vertrieb von Ecstasy oder anderen starken Halluzinogenen zu
steigern - das hätte für ihn eher Sinn ergeben. Aber Crimson - hergestellt
nach Bens persönlichem Geheimrezept - war immer eins seiner milderen Produkte
gewesen. In seinen Testreihen, die er vor allem im Selbstversuch durchführte,
hatte Ben herausgefunden, dass die Droge einen Trip verursachte, der nur wenig
intensiver war als ein koffeinhaltiger Energydrink, in Kombination mit
Appetitsteigerung und einem Absinken der Hemmschwelle.
Crimson wirkte rasch, aber die
Wirkung verflog auch schnell wieder, meist schon
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