Midnight Breed 02 - Gefangene des Blutes-neu-ok-10.11.11
Wand und wusste, dass es noch immer viel zu früh und mit Nora
noch eine ganze Weile nicht zu rechnen war.
Sie glaubte nicht, dass sie
Grund zur Beunruhigung hatte, doch als sie in den anderen Teil der Klinik
hinüberging, überkam sie plötzlich schlagartig eine Erinnerung - das Licht im
Lagerraum wurde angeknipst und auf dem Boden lag ein zerschlagener,
blutüberströmter Eindringling, der dort zusammengebrochen war. Sofort blieb sie
stehen, ihre Füße rührten sich nicht vom Fleck, grell leuchtete das Bild in
ihrer Erinnerung auf und verschwand dann genauso schlagartig wieder.
„Hallo?“, rief sie und
versuchte, den Hund in ihren Armen nicht zu drücken, als sie aus der verwaisten
Zwingerabteilung ging. „Ist da jemand?“
Ein zischender Fluch drang aus
dem großen Untersuchungsraum direkt neben dem Empfangsbereich.
„Ben? Bist du das?“
Er kam aus dem Raum, einen
elektrischen Schraubenzieher in der Hand. „Tess - um Himmels willen, hast du
mich erschreckt. Was machst du hier so früh?“
„Zufällig arbeite ich hier“,
sagte sie und runzelte die Stirn, als sie sein gerötetes Gesicht und die
dunklen Ringe unter seinen Augen bemerkte. „Und was machst du hier?“
„Ich, äh …“ Mit dem
Schraubenzieher machte er eine vage Geste in Richtung des Untersuchungsraumes.
„Ich habe neulich bemerkt, dass am Behandlungstisch da drin die hydraulische
Hebevorrichtung klemmt. Ich war schon wach, und wo ich doch immer noch den
Ersatzschlüssel für die Klinik habe, dachte ich, ich komm vorbei und bring das
eben in Ordnung.“
Der Tisch hatte wirklich etwas
Justierung gebraucht, aber irgendetwas an Bens verwirrter Erscheinung war nicht
richtig.
Tess ging auf ihn zu. Als der
Hund plötzlich begann, sich in ihren Armen zu regen, kraulte sie ihn sanft.
„Konnte das nicht warten, bis wir aufmachen?“
Ben fuhr sich mit der Hand über
den Kopf, womit er sein zerrauftes Haar noch weiter in Unordnung brachte. „Wie
ich schon sagte, ich war sowieso schon auf. Versuche nur zu helfen, wo ich
kann. Wer ist dein kleiner Freund da?“
„Er heißt Harvard.“
„Nette Töle. Bisschen
angeschlagen vielleicht. Ein neuer Patient, Doc?“
Tess nickte. „Er kam erst
gestern Abend rein. Es ging ihm nicht besonders, aber ich denke, er ist bald
über den Berg.“
Ben lächelte, aber sein Gesicht
wirkte irgendwie angespannt.
„Gestern Abend wieder
Überstunden gemacht?“
„Nein. Nicht direkt.“
Er sah von ihr fort, und sein
Lächeln bekam einen bitteren Zug.
„Ben, ist es … klar zwischen
uns? Ich habe neulich nach der Ausstellung versucht, dich anzurufen, um mich zu
entschuldigen. Ich habe dir eine Nachricht hinterlassen, aber du hast mich
nicht zurückgerufen.“
„Ja, ich hatte viel um die
Ohren.“
„Du siehst müde aus.“
Er zuckte die Schultern. „Mach
dir keine Sorgen um mich.“
Er ist mehr als nur müde, dachte
Tess jetzt. Ben sah völlig erschöpft aus. Eine nervöse Energie umgab ihn, als
hätte er die letzten zwei Nächte kein Auge zugetan. „Was hast du denn in
letzter Zeit gemacht? Bist du wieder mit einer Rettungsaktion zugange oder so?“
„Oder so“, sagte er und warf ihr
einen schrägen, abweisenden Blick zu. „Hör mal, ich würde zu gern hierbleiben
und quatschen, aber jetzt muss ich wirklich los.“
Er steckte den Schraubenzieher
in die Hosentasche seiner lose sitzenden Jeans und ging auf den Haupteingang
der Klinik zu.
Tess folgte ihm, sie spürte eine
seltsame Kälte. Zwischen ihnen tat sich eine emotionale Distanz auf, die so
noch nie da gewesen war.
Ben log sie an. Und nicht nur in
Bezug auf den Grund, warum er in die Klinik gekommen war.
„Danke für die Reparatur“,
murmelte sie seinem Rücken zu, der sich schnell von ihr entfernte.
Als er in der offenen Tür stand,
sah sich Ben über die Schulter nach ihr um. Sie erschrak, wie ausdruckslos sein
Blick war.
„Keine Ursache. Pass auf dich
auf, Doc.“
Eisige Regentropfen quollen aus
einem steingrauen Nachmittagshimmel und klopften unablässig an die Scheiben von
Elises Wohnzimmerfenster. Sie zog die Gardinen ihrer Privaträume im zweiten
Stock auseinander und starrte auf die kalten Straßen der Innenstadt hinab, auf
den Strom von Passanten, die dort unten hin und her eilten, um dem Wetter zu
entkommen.
Irgendwo da draußen war auch ihr
achtzehnjähriger Sohn.
Er war nun schon seit über einer
Woche verschollen. Einer der immer mehr Jugendlichen des Stammes, die aus ihren
sicheren Reservaten, den
Weitere Kostenlose Bücher