Midnight Breed 02 - Gefangene des Blutes-neu-ok-10.11.11
Dunklen Häfen der Gegend, verschwunden waren. Sie
betete darum, dass Cam sich an einem sicheren unterirdischen Ort befand, weit
weg von den tödlichen Sonnenstrahlen, mit anderen zusammen, die ihm Trost und
Unterstützung geben konnten, bis er seinen Weg nach Hause fand.
Sie hoffte, dass er bald nach
Hause finden würde.
Dem Himmel sei Dank für Sterling
und alles, was er tat, um die Rückkehr ihres Sohnes zu ermöglichen. Elise
konnte die Selbstlosigkeit, mit der ihr Schwager sich so vollständig dieser
Aufgabe widmete, kaum begreifen. Sie wünschte, Quentin könnte sehen, wie sehr
sein jüngerer Bruder sich für ihre Familie einsetzte. Er wäre zutiefst
verwundert; wahrscheinlich sogar gedemütigt.
Und was Quentin von ihren
Gefühlen halten würde, wagte Elise sich gar nicht auszumalen.
Seine Enttäuschung wäre
grenzenlos. Vermutlich würde er sie gar ein wenig hassen. Oder sogar sehr, wenn
er erfuhr, dass sie es war, die ihren Sohn in die Nacht hinaus getrieben hatte.
Hätte sie nicht mit Camden gestritten, hätte sie nicht diesen lächerlichen
Versuch unternommen, ihn zu kontrollieren, dann wäre er vielleicht nicht
gegangen. Daran war allein sie schuld, und sie wünschte sich verzweifelt, diese
schrecklichen Stunden für immer ungeschehen machen zu können.
In ihrer Kehle saß der bittere
Geschmack der Reue, als sie zu dieser anderen Welt hinaussah, die außerhalb
ihrer Reichweite lag. Hier, in ihrem warmen, trockenen Zuhause, fühlte sie sich
so hilflos, so nutzlos.
Unter ihrer geräumigen Wohnung
im Dunklen Hafen von Black Bay lagen Sterlings Privatquartier und sein
unterirdischer Schutzraum. Er war ein Stammesvampir und darum gezwungen, sich
wie alle anderen Mitglieder seiner Spezies fernab des Tageslichtes in
Innenräumen und unter der Erde aufzuhalten, wenn auch nur ansatzweise die Sonne
am Himmel war. Das galt auch für Camden, denn obwohl er von ihrer Seite aus
halb menschlich war, floss das Vampirblut seines verstorbenen Vaters in ihm.
Die übermenschlichen Stärken
seines Vaters und auch seine Schwächen.
Vor Einbruch der Dunkelheit
würde die Suche nach Cam nicht weitergehen. Und Elise erschien die Zeit des
untätigen Wartens wie eine Ewigkeit.
Sie begann vor dem Fenster auf
und ab zu gehen und wünschte sich, irgendetwas tun zu können, um Sterling bei
seiner Suche nach Cam und den anderen Jungen aus den Dunklen Häfen, die
ebenfalls verschwunden waren, zu helfen.
Selbst als Stammesgefährtin,
eine der seltenen weiblichen Angehörigen der menschlichen Rasse, die in der
Lage waren, sich mit Vampiren zu paaren und Nachkommen zu gebären - die dann
ausnahmslos männlichen Geschlechts waren - , war Elise doch immer noch Homo
sapiens, ein ganz normaler Mensch. Ihre Haut vertrug Sonnenlicht problemlos.
Sie konnte sich unerkannt unter anderen Menschen bewegen, obwohl es schon so
lange Jahre her war - um genau zu sein, über ein Jahrhundert - , dass sie es
zum letzten Mal getan hatte.
Sie war ein Mündel der Dunklen
Häfen, seit sie ein kleines Mädchen war. Man hatte sie um ihrer Sicherheit
willen dorthin gebracht, als im neunzehnten Jahrhundert die Armut ihre Eltern
zwang, in einen der Bostoner Slums zu ziehen. Sobald sie großjährig wurde, war
sie die Gefährtin ihres über alles geliebten Quentin Chase geworden. Wie sehr
sie ihn vermisste. Er war erst vor fünf Jahren aus ihrem Leben gegangen.
Und nun hatte sie vielleicht
auch Camden verloren …
Nein. Sie weigerte sich,
diesen Gedanken zuzulassen. Der Schmerz war zu groß, um dies auch nur eine
einzige Sekunde lang in Betracht zu ziehen.
Vielleicht gab es ja doch etwas,
das sie tun konnte. Elise blieb an ihrem regengepeitschten Fenster stehen. Von
ihrem Atem beschlug die Scheibe, als sie hinaussah. Wo nur, wo war ihr Sohn?
Mit einem plötzlichen Anflug von
Entschlossenheit drehte sie sich um und ging zu ihrem begehbaren Wandschrank,
um ihren Mantel zu holen, der dort unberührt die letzten Winter verbracht
hatte. Der lange marineblaue Wollmantel bedeckte ihre weiße Witwenkleidung, er
fiel ihr bis auf die Knöchel hinab.
Elise schlüpfte in ein Paar
helle Lederstiefeletten und verließ schnell ihre Wohnung, ehe die Angst vor der
eigenen Kühnheit sie vielleicht doch noch von ihrem Vorhaben abhielt.
Mit schnellen Schritten lief sie
die Treppe zum Haupteingang im Erdgeschoss hinunter. Sie schaffte es erst nach
mehreren Anläufen, den Sicherheitscode einzugeben, der die Türblockierung
freigab, denn sie konnte sich nicht mehr
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