Midnight Breed 03 - Geschöpf der Finsternis-neu-ok-13.11.11
„Du musst sie sehr geliebt haben.“
„Sorcha war ein liebes Mädchen,
die unschuldigste Person, die ich je kennengelernt habe. Sie hat den Tod, den
sie erleiden musste, nicht verdient.“
Elise schlang sich das Handtuch
um, während sich Tegan auf die Marmorbank setzte, die sich auf ganzer Länge um
die Wand der Duschkabine zog. Seine Beine waren gespreizt, die Ellenbogen
ruhten auf seinen Knien.
„Was ist passiert, Tegan?“
„Etwa zwei Wochen, nachdem sie
entführt wurde, schickten ihre Entführer sie mir nach Hause zurück. Sie war
vergewaltigt und gefoltert worden. Und als wäre das nicht schon grausam genug
gewesen, hatte er auch von ihr getrunken. Sie kam als Lakaiin des Rogue zu mir
zurück, der sie so grausam gequält hatte.“
„Oh Gott, Tegan.“
„Sie so zurückzuschicken war
schlimmer, als sie zu töten, aber ich schätze, diese Aufgabe hatten sie mir
zugedacht. Ich konnte es nicht. In meinem Herzen wusste ich, dass sie schon
fort war, aber ich konnte ihr Leben nicht beenden.“
„Natürlich nicht“, versicherte
sie ihm sanft. Seine Geschichte brach ihr fast das Herz.
Elise schloss die Augen zu einem
leise geflüsterten Gebet und setzte sich dann zu Tegan auf die Bank. Es war ihr
egal, ob er ihr Mitgefühl zurückwies; jetzt musste sie ihm nahe sein. Er musste
wissen, dass er nicht allein war.
Als sie ihre Hand auf seine
nackte Schulter legte, zuckte er nicht zurück. Er drehte den Kopf zur Seite und
begegnete ihrem mitfühlenden Blick. „Ich versuchte, sie zu heilen. Ich dachte,
wenn ich ihr nur genug Blut nehme und ihr dafür meines gebe - wenn ich sie aus
meiner Vene nähren und das Gift aus ihren Venen saugen kann -, dann kommt sie
vielleicht durch ein Wunder wieder zurück. Also habe ich mich genährt, um sie
zu nähren. Ich kam in einen Blutrausch, der Wochen dauerte. Ich hatte keine
Selbstbeherrschung mehr. Ich war so von Schuld zerfressen und dem Bedürfnis,
Sorcha zu heilen, dass mir gar nicht auffiel, wie schnell ich auf die Blutgier
zudriftete.“
„Aber du hast doch die Grenze
nicht überschritten, oder? Ich meine, wenn es so weit gekommen wäre, dann wärst
du jetzt nicht hier.“
Er lachte auf, ein scharfes,
bitteres Geräusch. „Oh doch, ich habe die Grenze überschritten. Ich bin
gefallen, so wie es allen Süchtigen geht. Die Blutgier hätte mich zum Rogue
gemacht, wenn Lucan nicht gewesen wäre. Er ist eingeschritten und hat mich in
eine Kerkerzelle gesteckt, um abzuwarten, bis die Krankheit gebrochen war. Es
hat Monate gedauert, und ich bin fast verhungert, man hat mir nur so viel
Nahrung gegeben, wie unbedingt nötig war, um mich am Leben zu halten. Die
meisten dieser Tage habe ich damit verbracht, um meinen Tod zu beten.“
„Aber du hast überlebt.“
„Ja.“
„Und Sorcha?“
Er schüttelte den Kopf. „Lucan
hat für sie getan, wozu ich nicht Manns genug war. Er hat sie von ihrem Leiden
befreit.“
Elises Herz zog sich vor
Mitgefühl zusammen, als sie verstand. „Er hat sie getötet?“
„Es war ein Akt der Gnade“, antwortete
Tegan angespannt.
„Und trotzdem habe ich ihn die
letzten fünfhundert Jahre dafür gehasst. Letztendlich hat Lucan ihr viel mehr
Mitgefühl erwiesen, als ich es konnte. Ich hätte sie am Leben erhalten, nur um
mir die Schuldgefühle zu ersparen, sie getötet zu haben.“
Elise ließ ihre Handfläche über
Tegans glatten Rücken gleiten, bewegt von seinem Geständnis und der Liebe, die
ihm vor so langer Zeit genommen worden war. Sie hatte ihn für kalt und
gefühllos gehalten, aber das war nur, weil er seine Gefühle verbarg. Seine
Wunden reichten tiefer, als sie je gedacht hätte.
„Es tut mir so leid, du hast so
viel durchmachen müssen, Tegan.
Ich verstehe jetzt. Ich verstehe
… auf einmal so viel.“
„Ach ja?“
Der düstere Blick, mit dem er
sie ansah, war so intensiv, dass er ihr bis tief in die Seele zu dringen
schien.
„Als ich dich vorhin unten sah,
blutüberströmt …“ Abrupt hielt er inne, als wäre er unfähig, die Worte zu
formen, die er sagen wollte. „Ach, verdammt … diese Art von Angst und Schmerz
wollte ich nie wieder fühlen, verstehst du? Ich wollte nie wieder jemanden so
nahe an mich heranlassen.“
Elise sah ihn schweigend an, sie
hörte seine Worte, war aber unsicher, wie sie sie verstehen sollte. Meinte er
das etwa wirklich ernst, empfand er etwas für sie?
Seine Finger strichen
federleicht über das dumpfe Pochen in ihrer gequetschten Wange. „Doch, es ist
so“, sagte er, eine
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