Midnight Breed 03 - Geschöpf der Finsternis-neu-ok-13.11.11
Schlaf.
Etwas stimmte nicht. Ganz und gar nicht. Er hörte Elises Stimme - ihr sonst so
ruhiger Tonfall klang auf einmal viel höher - und sprang sofort auf die nackten
Füße, all seine Sinne in höchste Alarmbereitschaft versetzt.
Nackt, außer seiner Jeans, die
er im Gehen anzog, bevor er sich nach unten in die Halle aufmachte, registrierte
er die gedämpften Geräusche einer Frau, die weinte. Nicht Elise, Gott sei Dank,
aber auch sie war da unten, redete schnell und war ganz offensichtlich
beunruhigt.
Tegan trat ans Treppengeländer
und sah zum offenen Eingangsbereich des Herrenhauses hinunter. Was er sah, ließ
ihn auf der Stelle erstarren.
Elise, die gerade von draußen
hereingekommen zu sein schien, war blutüberströmt.
Das gibt’s doch nicht.
Er verlagerte sein Gewicht nach
hinten, um nicht zu fallen, und sein Magen fiel wie ein Stein nach unten, bis
er irgendwo in seiner Kniegegend hängen blieb. Elise war in Scharlachrot
getaucht, die Vorderseite ihrer Kleider blutgetränkt, als hätte ihr jemand die
Halsschlagader aufgerissen.
Aber es war nicht ihr Blut,
erkannte er, als der metallische Geruch von unten hinaufdriftete und ihm in die
Nase stieg. Es war das Blut von jemand anderem - eines Menschen.
Die Erleichterung, die ihn in
diesem Augenblick durchströmte, war grenzenlos.
Bis eine verzweifelte Wut ihn
packte.
Er legte die Fäuste auf das
Treppengeländer, schwang die Füße hinüber und ließ sich mit einem abgehackten
Fluch in die Vorhalle hinunterfallen. Elise beachtete ihn kaum, als er auf sie
zustapfte, sein Körper zitterte vor Wut. Aber all ihre Konzentration war bei
der völlig verstörten Irina Odolf, die auf einer gepolsterten Sitzbank neben
der Eingangstür zusammengesackt war und unzusammenhängende Laute von sich gab.
Reichen kam gerade mit einem
Glas Wasser aus der Küche angelaufen und reichte es Elise.
„Danke, Andreas.“ Sie drehte
sich um und hielt es der schluchzenden Stammesgefährtin hin. „Irina. Trinken
Sie etwas davon, wenn Sie können. Dann werden Sie sich besser fühlen.“
Soweit Tegan sehen konnte,
fehlte der Frau nichts, außer dass sie unter Schock stand. Elise dagegen sah
aus, als hätte sie direkt an vorderster Front gestanden. Eine dunkle Quetschung
zog sich ihren Unterkiefer entlang und über die Wange hinauf.
„Was zur Hölle ist passiert? Und
was hast du außerhalb des Dunklen Hafens gemacht?“
„Trinken Sie“, redete Elise
ihrer Schutzbefohlenen zu und ignorierte Tegan völlig. „Andreas, haben Sie
einen ruhigen Raum, wo Irina sich eine Weile hinlegen kann?“
„Ja, natürlich“, erwiderte
Reichen. „Im ersten Stock gibt es einen Salon.“
„Ich danke Ihnen. Das wird
völlig ausreichen.“
Tegan sah zu, wie leicht es
Elise fiel, mit ihrer sanften Art die Kontrolle der Situation an sich zu
nehmen. Er musste die Kraft bewundern, die sie in dieser Krise aufbrachte, aber
verdammt noch mal, er rauchte vor Wut. „Kannst du mir mal erklären, wie es dazu
kommt, dass du hier verletzt und blutüberströmt rumstehst?“
„Heute früh bin ich zu Irina
gefahren“, erwiderte Elise und machte sich noch immer nicht die Mühe, seinem
wütenden Blick zu begegnen. „Ein Lakai muss mir gefolgt sein …“
„Herr im Himmel!“
„Er brach in Irinas Reihenhaus
ein und hat uns angegriffen.
Ich habe ihn unschädlich
gemacht.“
„Du hast ihn unschädlich
gemacht“, sagte Tegan dunkel.
„Was ist passiert? Hast du mit
dem Hundesohn gekämpft? Hast du ihn umgebracht?“
„Ich weiß es nicht. Wir haben
nicht abgewartet, um das herauszufinden.“
Sie nahm Irina das Wasserglas
aus der Hand, die sowieso kaum etwas trank, und stellte es auf dem Boden ab.
„Können Sie aufstehen?“, fragte sie die junge Frau, ihre Stimme liebevoll und
besorgt. Als die Stammesgefährtin nickte, packte Elise sie stützend unter dem
Arm und half ihr auf die Füße. „Wir gehen zusammen in einen anderen Raum
hinauf, wo Sie sich erholen können, in Ordnung?“
„Erlauben Sie.“ Reichen glitt
geschmeidig zwischen sie und nahm Irinas schlaffes Gewicht auf sich. Vorsichtig
führte er sie auf eine geöffnete Flügeltür zu, die von der Eingangshalle
abging.
Als sich Elise anschickte, ihnen
zu folgen, streckte Tegan die Hand aus und packte ihr Handgelenk. „Elise. Warte
mal.“
Da sie keine Wahl hatte, blieb
sie stehen. Dann stieß sie einen langsamen Seufzer aus und wandte sich um, um
ihn anzusehen. „Deine Missbilligung kann ich jetzt gar nicht gebrauchen, Tegan.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher