Midnight Breed 03 - Geschöpf der Finsternis-neu-ok-13.11.11
des Rogue bebten, als sein blutsüchtiger Körper arbeitete, um
ihren Duft einzufangen.
„Geh nicht zu nah an ihn ran“, warnte
Tegan und bereute es schon, dass er Elise versprochen hatte, keine Waffen gegen
den Rogue einzusetzen - höchstens als allerletzten Ausweg. Als Erstes sollte er
die Spritze mit dem Sedativ einsetzten, die Dr. Kuhn ihm gegeben hatte. „Das
ist nah genug, Elise.“
Sie blieb in einigen Metern
Entfernung vor dem Rogue stehen. Als sie sprach, war ihre Stimme weich, voller
Geduld und Mitgefühl.
„Hallo, Peter. Mein Name ist
Elise.“
Die elliptischen Pupillen in
Odolfs bernsteinfarbenen Augen zogen sich noch stärker zusammen. Immer noch
keuchte er vor Anstrengung, aber sein Widerstand wurde schwächer, als er seine
Aufmerksamkeit ganz auf Elise richtete.
„Ich habe Irina kennengelernt.
Sie ist sehr nett. Und sie liebt Sie sehr. Sie hat mir gesagt, wie viel Sie ihr
bedeuten, Peter.“
Odolf wurde ruhig in seinem
engen Käfig. Elise trat einen Schritt näher. Tegan knurrte ihr eine Warnung zu,
und obwohl sie stehen blieb, ließ sie sich durch seine Besorgnis nicht aus dem
Konzept bringen.
„Irina macht sich Sorgen um
Sie.“
„Nicht in Sicherheit“, murmelte
Odolf, fast unhörbar.
„Was ist nicht in Sicherheit?“,
fragte Elise sanft. „Irina ist nicht in Sicherheit?“
„Niemand ist in Sicherheit.“ Der
große Kopf schwang vor und zurück, als hätte er einen Krampfanfall. Als er
vorüber war, zog Odolf die Lippen von seinen riesigen Fangzähnen zurück.
„Am Kreuz liegt Wahrheit“,
murmelte er beim Ausatmen.
„Richte den Blick, den Blick …“
„Was bedeutet das, Peter?“ Elise
las ihm die ganze Passage vor. „Können Sie uns das erklären? Wo haben Sie das
gehört?
Haben Sie es irgendwo gelesen?“
„Burg und Ackerkrume sollen sich
zusammenfinden“, wiederholte er. „Auf die östlichen Grenzlande richte den Blick
…“
Wieder trat Elise einen halben
Schritt vor. „Wir versuchen, zu verstehen, Peter. Sagen Sie uns, was Sie
wissen. Es könnte sehr wichtig sein.“
Er stieß einen Grunzlaut aus,
der Kopf fiel ihm hin und her auf den Schultern, die Sehnen an seinem Hals
traten hervor.
„Burg und Ackerkrume sollen sich
unter der Mondsichel zusammenfinden … auf die östlichen Grenzlande richte den
Blick
… am Kreuz liegt Wahrheit.“
„Peter, bitte“, sagte Elise.
„Wir brauchen Ihre Hilfe. Warum gibt es keine Sicherheit? Warum denken Sie,
dass niemand in Sicherheit ist?“
Aber der Rogue hörte sie nicht
mehr. Mit fest geschlossenen Augen, den Kopf zurückgelegt, flüsterte er wieder
und wieder die unsinnigen Sätze vor sich hin, ein schneller, atemloser Strom
von Wahnsinn.
Elise sah zu Tegan zurück.
„Vielleicht hast du recht. Vielleicht ist es wirklich Zeitverschwendung.“
Er war schon dabei, ihr
zuzustimmen, als Odolf plötzlich in wieherndes Gelächter ausbrach. Sein Mund
öffnete sich weit, er ließ abrupt den Kopf sinken und begann zu flüstern, so
leise, dass Tegan es kaum ausmachen konnte. Er fing einige Fetzen des Rätsels
auf, dann blinzelte Odolf, und plötzlich schien sein Verstand kristallklar zu
sein.
In völlig klarem, rationalem
Tonfall sagte er: „Das ist der Ort, an dem er sich versteckt.“
Tegans Blut wurde zu Eis. „Was
hast du gesagt? An dem sich wer versteckt? Marek?“
„Er versteckt sich.“ Odolf
kicherte, schon wieder überkam ihn der Wahnsinn. „Am Kreuz liegt Wahrheit.“
Tegan fiel die Glyphe ein, die
sie in dem Tagebuch gefunden hatten. Die Linie des Stammes, zu der sie gehörte,
war schon lange ausgestorben. Aber vielleicht war Marek ja nicht der Einzige,
der als tot galt und zurückkehrt war. „Ist es Dragos? Lebt er?“
Odolf schüttelte den Kopf, ihm
fielen friedlich die Augen zu.
Wieder begann er damit, das
Rätsel aufzusagen, murmelte es in einem entnervenden Singsang vor sich hin.
„Verdammt noch mal!“, knurrte
Tegan und trat mit ein paar wütenden Schritten an den Käfig heran. „Ist Dragos
irgendwo versteckt? Sind er und Marek miteinander verbündet? Planen sie etwas
zusammen?“
Odolf sang weiter vor sich hin,
schlichtweg nicht ansprechbar. Nicht einmal, als Tegan den Griff des
Metallkäfigs packte und ihn hart schüttelte, gab Odolf Anzeichen von
Bewusstsein.
Der Verstand des Rogue hatte
sich wieder abgemeldet.
„Scheiße.“ Tegan fuhr sich mit
der Hand durchs Haar. In seiner Manteltasche vibrierte sein Handy, jemand rief
ihn an. Er klappte es auf und bellte in den Hörer.
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